Hickelspiele
Vom Hickelspiel im allgemeinen: Im nachfolgenden ist die Zusammenstellung eines einzigen Spieles in einer großen Zahl Spielweisen, so wie sie in Frankfurt a. M. beobachtet werden konnten, versucht worden. Das ist nur an Hand von Zeichnungen möglich, die deshalb auf den folgenden Blättern die Hauptrolle spielen.
Untereinander sind die Zeichnungen nach der Ähnlichkeit ihrer äußeren Formen gruppiert. Die Spielweise ist im allgemeinen bei allen Formen ziemlich gleich: es wird eine aus verschiedenen Feldern bestehende Zeichnung mit einem Stock, einem Steine oder auch dem Absatz des Schuhes in den weichen Sand oder mit Kreide auf den Asphalt des Straßendammes oder den Bürgersteig gemacht, dann wird ein flacher Stein genommen, nacheinander in die verschiedenen Felder geworfen und hüpfend wieder heraus geholt.
Das Hüpfen heißt auch „Hickeln“; man sagt, es wird durch den Kreis gehickelt. Der Stein wird geschnickt, d. h. mit dem Fuße vorwärtsgestoßen, bis man ihn dorthin geschnickt hat, wohin er soll. Die Hickelspiele sind selbst an einem Orte nicht überall gleich, sondern in den einzelnen Stadtteilen, ja, bei den einzelnen Schulen sehr verschieden, und nur dadurch ist die große Reichhaltigkeit der in folgendem zu bringenden Zeichnungen zu erklären.
Wir beginnen die Zeichnungen mit der Form des Hickelspiels, die „Himmel und Hölle“ oder auch „Himmel und Erde“ genannt wird, und zu der einige einfachere Spielformen hinleiten. Das Hickelspiel „Himmel und Hölle“ ist eins der beliebtesten Hickelspielformen überhaupt und unter dem Namen weiter bekannt; aus diesem Grunde mag es an die Spitze gestellt werden.
Die Entwicklung der Spiele befindet sich ständig in Fluß, und was heute den Geist des Kindes erfüllt, ist morgen schon wieder vergessen; was heute noch gefällt, wird morgen verworfen; was heute so gezeichnet wurde, erhält morgen eine andere Gestalt, und so lässt sich auch auf diesem Gebiete nichts Verständigeres feststellen, als der ewige Wechsel. Und darum ist es gerade eine sehr wichtige und für die innere Entwicklung des Spieles, wie für die Kenntnis des Kindes auch lohnende und dankbare Aufgabe, Beobachtungen ständig aufzunehmen und nicht nur Stichproben aus gewissen Orten und von einer gewissen Zeit zu machen. Erst die lückenlose Verfolgung eines bestimmten Spieles in allen Orten und in vielen, vielen Jahren bringt uns zu wirklichen Ergebnissen. Beim Hickelspiele benutzen die Kinder einen nicht zu großen, platten Stein, oft besitzt auch jeder einzelne Mitspieler seinen eigenen Stein, den er für besonders geeignet hält.
Bei den Hickelzeichnungen werden ebenso wie bei den Laufspielen häufig die verwickeltsten Formen in den Sand gezeichnet. Der Anfang und das Ende einer länglichen Zeichnung wird zuweilen Häuschen genannt.
Aus all diesen Zusammenstellungen eines einzigen Spieles geht mit aller Deutlichkeit doch eins hervor, nämlich die ungemein große Reichhaltigkeit der schaffenden Spieltätigkeit und Einbildungskraft unserer Jugend, von der wir ungerechterweise so oft annehmen, dass sie mit nüchternem Innern ausgestattet sei.
Und beim Spiel erkennt man häufig kaum den Schüler wieder, der in der Schule keiner Anstrengung fähig erscheint, der immer getrieben werden muss, der auch wohl gar daheim zu nichts Ordentlichem zu gebrauchen ist, wie mir eine besorgte Mutter einmal von einem solchen Kinde sagte. Hier beim Spiel ein Eifer, der in Erstaunen setzt, eine unermüdliche Wiederholung der geforderten Spieltätigkeit, ein immer neues Ansetzen der kindlichen Kraft, um die Aufgabe zu lösen; denn wie wir aus den verschiedenen Spielausführungen ersehen werden, ist die Erreichung des Zieles nicht überall gerade leicht gemacht.
Wie verwickelt sind häufig die Anforderungen! Und sie müssen gewissenhaft erfüllt werden, dafür sorgen die Mitspieler. Den Spielregeln unterwirft sich jeder gern, wenn es auch nicht selten gilt, arge Meinungsverschiedenheiten auszutragen. Stundenlang hat der ungelenke Junge, das kleine, noch steife Mädchen zu spielen, bis endlich der Mühe Preis in Gestalt eines bescheidenen Ruhehäuschens erworben ist; aber trotzdem immer werden die verschiedenen Sprünge usw. mit eisernem Eifer und nie ermüdender Geduld wiederholt, immer dieselben Aufgaben in Angriff genommen, Tätigkeiten, die von uns Erwachsenen oft als so langweilig. als so nüchtern und als so wenig fesselnd empfunden werden.
Eine wiederholte Tätigkeit, und sei sie nach unseren Begriffen noch so einfach und sei sie nach unseren Begriffen noch so einfach und nüchtern, ermüdet an und für sich das Kind nicht, im Gegenteil, die von Erwachsenen oft beliebte Abwechslung würde ein Kind nicht befriedigen, was für Schule und Leben eine nicht genug zu beherzigende Lehre gibt.
Die neuzeitliche Richtung der Pädagogik wird bei der Feststellung dieser Tatsache nicht immer gut abschneiden, und die überhäufende Versorgung des Kindes mit allen möglichen Spielsachen in der Familie trifft sicherlich auch nicht das Richtige.
Karl Wehrhahn, in: Frankfurter Kinderleben (1929, Nr. 3452)
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