Kriegshickel

Gewisse Spielweisen haben durch die Kriegszeit mit ihren ganz anders gearteten Gedankengängen und Gefühlen besondere Pflege, auch besondere Aus- und Weiterbildung erfahren. Die einzelnen im folgenden aufgeführten Spiele gehören nach ihrer Grundzeichnung und Spielweise in die verschiedenen schon oben behandelten Gruppen, sind hier aber zusammengestellt, um den Einfluss besonderer Zeiten auf ein und dasselbe Kinderspiel zu zeigen, soweit der Einfluss sich in einer einzigen Stadt hat nachweisen lassen.

Absichtlich sind hier andere Auswirkungen der Weltkriegszeit oder politisch erregter Zeiten überhaupt auf das Kinderlied und Kinderspiel nicht gegeben worden. Ich hoffe aber, an Hand reicher Sammlungen eine ausführlichere Darstellung und eine Untersuchung allgemeinerer
Art bieten zu können, die sich nicht auf einen Ort beschränkt, sondern örtlich und zeitlich umfassendenr ist und zu allgemeineren Ergebnissen gelangen dürfte.

Die Kriegszeit mit ihren sich tiefeinprägenden Ereignissen hat das bei den Kindern in Frankfurt schon in Friedenszeiten sehr beliebte Spiel stark beeinflusst. Schon von den ersten Kriegsmonaten an zeigte sich diese Einwirkung der Zeit-Ereignisse auf das Spiel überhaupt; aber ganz besonders konnte man, wie J. Dillmann in der Zeitschrift des Vereins für Volkskunde in Berlin 1917, S. 237, bemerkt, beobachten, wie sich die Kinder gerade diesem Spiel ergaben, so dass schließlich Polizei und Schulbehörde wegen des Übermaßes der Kreidezeichnungen auf Fußsteig und Fahrdamm dagegen einschreiten mussten.

Während sich die Kinder in den ersten Kriegsjahren dem alten Soldatenspiel in lebhafter und häufig recht lauter Weise hingegeben hatten, gingen sie später zu dem ruhigeren Hickelspiel
über, doch trug auch diese sonst friedliche Spielbeschäftigung, wie oben schon angedeutet, fast durchgängig kriegsgemäße Eigenart.

J. Dillmann unterscheidet in feiner Untersuchung über das Hickelspiel in Frankfurt a. M. in seiner kriegsgemäßen Entwicklung vier Gruppen, die wir in folgendem kurz anführen möchten:

Die Spiele der ersten Gruppe entsprechen oder ähneln in Zeichnung und Ausführung früheren Spielen mit der Benennung „Schlange“, „Schnecke“ und dem „Buchstaben-N“ oder sogenanntem „Ennchesspiele“, benannt nach dem Buchstaben N, wie dem „Windmühlspiel“. Die Ausführung ist die einfachste, wie sonst üblich: Die Kinder hickeln durch die Zeichnung mit oder ohne Stein, wobei
die Striche nicht mit dem Fuße oder dem Steine berührt werden dürfen. In der Säge wird das Spiel verschärft, wenn auf die Zacken geachtet werden muss.

Mit der zweiten Gruppe können wir Spiele früherer Benennung vergleichen, wie das Häuschen, den Deutschen Kreis, den Französischen Kreis, die Woche, das Eierspiel. Die Kinder hüpfen durch die einzelnen Felder, ohne die Striche zu berühren, wieder mit oder ohne Stein. In dem Spiele mit dem Namen der Heerführer sind die Namen selbst nicht feststehend. Die Kinder wählten damals, als Dillmann seine Untersuchungen anstellte, hauptsächlich Heerführer des westlichen Kriegsschauplatzes.

In der dritten Gruppe der Dillmannschen Kriegshickelspiele treten vollständig neue Zeichnungen auf, z. B. 101-Spiel, Festungsspiel, Flieger, Bombe u. a. Der Stein wird wie sonst aus dem Mal durch Schnicken mit dem Fuße bis an den Kopf vorgearbeitet. Von hier aus wird er in die einzelnen Häuschen geworfen, wobei man mit eins beginnt. Der Spieler hüpft nach, hebt den Stein aus und durchhickelt die ganze Zeichnung. Wer ohne Mißgeschick durchgekommen ist,
erhält in dem Streifen ein Feld, das er abteilt und mit seinem Namenszeichen versieht. Eine ähnliche Spielzeichnung heißt „die Laterne“.

Über die eigentliche Bedeutung der Zeichnungen der Kriegshickelspiele wissen die Kinder wenig Auskunft zu geben. Die Erwachsenen jedoch, die von dem Geist der Zeit erfüllt sind, könnten in Versuchung kommen, dem kindlichen Spiele eine bestimmte Deutung zu unterlegen. In dem Festungshickel, nach der zweiten
Gruppe zu spielen, und in einem andern als Messerspiel bekannten Festungsspiele geben uns die Kinder selbst die Anregung dazu.

In beiden Spielen müssen zuerst die äußeren Befestigungen genommen werden, ehe man in das Innere der Festung eindringen kann, um in dem Mal als Sieger auszuruhen. Ebenso könnte man die Zahlenspiele, wie das 101-Spiel z. B. als kindliche Nachahmung
des mühsamen und ausdauernden Vorganges unserer Soldaten an eine Festung, einen Brückenkopf oder eine Höhe in Feindesland auffassen.

Bei den zahlreichen Spielen der vierten Gruppe, z. B. die dicke Frau, der
Holzbob u. a., kommt in der Ausführung etwas Neues hinzu, nämlich das Sprunghafte. Sobald zwei Felder nebeneinander liegen, werden sie nicht durch bloßes Hüpfen erreicht, sondern durch Springen, wobei die Kinder mit beiden Beinen zugleich aufspringen, und zwar mit dem einen Bein in das eine und mit dem andern in das danebenliegende Häuschen. JIm letzten Felde angelangt, wird Kehrt gemacht, d. h. im Sprunge Kehrt gemacht und dann der Weg noch einmal zurückgenommen. Diese Spiele stellen somit nicht wenig körperliche Anforderungen an den Spieler, die bei verschärfter Ausführung zur völligen Ermüdung und Erschlaffung führen können.

(Karl Wehrhan, 1929, S. 325f)

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