Vorwort zu „Deutsche Weihnachtslieder“ (Simrock)

Karl Simrock (in: „Deutsche Weihnachtslieder“ (Eine Festgabe))

Wie das häusliche Weihnachtsfest sich jetzt in den vornehmen Kreisen fast des ganzen nördlichen Deutschlands gestaltet hat, ist nachstehend zu schildern versucht:

Erst standen die Kleinen mit Harren und Bangen
Wie freute die Eltern ihr sehnlich Verlangen
Ihr Lauschen, ob endlich das Glöckchen nicht schalle
Da schallte das Glöckchen: wie stürzten sie alle
Aus der Nacht in das blendend erleuchtete Zimmer!

Da war es als wiche die Sorge für immer
Als würde die Erde, die alternde, jung
Und hätte für all ihre Kinder genung
Als würde des Frohsinns flatternde Taube
Nie wieder dem Geier des Kummers zum Raube

Es ragte der schimmernde Weihnachtsbaum
Wie ein Leuchtturm hoch in des Himmels Raum
Alle Schiffe liefen bei seinem Schein
In der Wünsche friedlichen Hafen ein
Es war der umbänderte, festlich bekränzte

Ein Freudengestirn, das Allen erglänzte
Fruchtbringender als der Himmelsbaum
Der Manna troff in der Wüste Raum
Schöner als Morgen- und Abendröten
Lieblicher, süßer als Nachtigallflöten

Willkommener als das ersehnte Land
Das der Seefahrer mit Jubeln erkannt
Mit spähendem Auge hat ers entdeckt
Und die Arme verlangend hinausgestreckt
Er will es ergreifen, berühren und fassen
An den Busen drücken, nie wieder verlassen!

So schlugen des Christbaums tauendem Segen
Hier die Herzen all sehnsüchtig entgegen.
So dachten sich alle Sinne zu laben
An der Fülle der freundlich gespendeten Gaben

Es wuchs die Freude, des Beschenkten Glück
Klang in die Seele des Gebers zurück.
Die Freude, die Beiden die Blicke verklärte,
Begabte die Gabe mit doppeltem Werte.
So ward dem Gebote des Kindes genügt,
Des heute geborenen, welches verfügt:

Seid freudig im Lieben und eifrig im Geben,
Das leitet hinüber zum ewigen Leben.

Die religiöse Bedeutung der Feier tritt hier fast gänzlich zurück; aber der Geist christlicher Milde ist ihr nicht abhanden gekommen. Mit der zartesten Aufmerksamkeit werden alle Wünsche und Bedürfnisse der Kinder und Hausgenossen, der Freunde und Gespielen erlauscht, um sie heute beim Scheine der Weihnachtskerzen zu befriedigen. Da gibt und empfängt ein Jeder; zu danken braucht Keiner: der schimmernde Tannenbaum hat seinen Wipfel geschüttelt, das Christkind hat diesen Segen gespendet.

Öfter als wir erfahren, wird auch wohltätiger Sinn den Armen ein Bäumchen geziert oder doch eine Kerze gezündet haben. In diesem Stücke braucht sich also wohl die neuere Sitte nicht vor der ältern zu schämen. Und wenn diese auch den Vögeln des Himmels Fruchtkörner streute, damit sie bei aufgehender Sonne unerwartet erquickt würden, und der Tag, der uns das Heil gebracht hat, auch ihnen erfreulich sei; wenn man selbst die Bäume des Gartens mit den Überresten des Festmahls labte, so finden wir dies schön und rührend; es geht aber das auf heidnische Opfer zurück, deren Abstellung wir um so weniger beklagen dürfen, als sie nicht von allem Eigennutz frei waren.

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  • Rückert (16. Mai 1788)

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