Liederlexikon: Esche

| 1908

Esche und Erle waren nach altgermanischer Mythologie die Eltern der ersten Menschen (ask = der Mensch) gewesen. Erst eine spätere Umänderung war es, daß drei gütige Götter den zwei vom Meer ans Land getriebenen Stämmen der Esche und Erle Geist, Sprache, Blut und Farbe einflößten. Ursprünglich galt wohl der männliche Baumgeist der Esche — Männer wurden mit Eschen, Frauen mit Erlen symbolisiert — als der Vater der/ ersten Menschen und der Menschheit überhaupt. So ist dann später die Weltesche Yggdrasill als der Doppelgänger des Gesamtlebens der Menschheit zu deuten. —

Von ihr heißt es, man solle von ihrer Frucht ins Feuer tragen, dann würden Kindbetterinnen ihrer Bürde ledig, d. h. sie könnten alsdann ihre Kinder zur Welt, zum Leben bringen. Mannhardt (der Baumkultus S. 56) nimmt mit Recht einen Brauch an, daß man mit den Früchten der Esche bei Entbindungen räucherte, wohl in Schweden — in Dänemark ist es der Hollunder, der den gebärenden Frauen hilfreich zur Seite stand. —

Übrigens kam auch nach einer Sage in der Oberpfalz der erste Mensch von einer Esche. Vielleicht ist es noch ein Anklang an die uralte leben-spendende Kraft des Baumes, wenn Mattioli (39 D) berichtet: „Eschensamen, gestoßen, erregt die unkeusche Gelüst, mehret den natürlichen Samen. Man soll ihn zwei Gulden schwer mit Pimpernüßlein und Pinienkernen mit Zucker bestreut essen.“

Als Maibaum wird die Esche am ersten Mai (Walpurgis) glatt abgeschält und verziert vor das Fenster der Mädchen von ihren Burschen aufgestellt (Oberbayern).

in Volkserotik und Pflanzenwelt (1908)

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