Die Ulinger-Blaubart-Sage

Ludwig Erk / Franz-Magnus Böhme (in: Deutscher Liederhort I, S. 145 f)

Eine gar unheimliche Sage ist es, die sich in Deutschland an den Namen Ulinger oder Adelger, im Flämischen an den Zauberkönig Halewyn, in Frankreich an den Ritter Blaubart geheftet hat und zum allgemeinen Sagenschatz fast aller Völker Europas gehört. -— Deutsche Lieder vom Ulinger gab`s schon seit dem 16. Jahrhundert in Ober- und Niederdeutschland und, wie unsere mitgeteilten Texte bezeugen, gibt es noch gegenwärtig in allen Landesteilen verdunkelte und entstellte Überreste im Volksmund, die sogar beim Kinderspiel gesungen werden.

Wir erfahren aus diesen Liedern von einem Ritter, der mit seinem Gesange eine Jungfrau lockte, die dann von ihm gehangen werden sollte. Bereits 11 Jungfrauen hatte er betört und getötet, aber die zwölfte, Rautendelein oder Schön-Aennelein, wird seine Rächerin. Als er sie mitbringen will, erschlägt sie ihn mit seinem eigenen Schwerte und reitet auf seinem Rosse heimwärts; auf ihres Vaters Tisch beim Mahl pflanzt sie des Entführers Haupt auf. In anderen Lesarten wird sie wirklich getötet und der Mord durch ihren Bruder gerächt; in einigen endet der Mörder selbst sein Leben.

Das Schlechte findet seinen Untergang, sein Gericht -— diese Wahrheit liegt der alten Volksballade vom Ritter Ulinger oder Ulrich zu Grunde. Die unsichtbare Welt, das Wunder greift in das Schicksal des Menschen hinein; so in vielen Volkssagen und auch hier: eine weiße Taube (Waldtaube) erscheint, das mit Ulrich sorglos dahinreitende Mädchen zu warnen und die Unschuld zu schirmen. — Der Hilferuf zu Christus und Maria brachte ihre Rettung. Nach den meisten Texten wird der Schrei aus dem Walde von ihrem Bruder im Schlosse gehört, der ihr Retter wird und den Verführer erschlägt.

Den Namen des sagenhaften Ulinger (Ulrich, Adelger. Alleger, Helsinger, Halsemann, F·riedburger, Halewyn) historisch festzustellen, wird vergeblich bleiben. Ein Ulingen gibt es in Baden, ein Olingen im Elsass. Der Name der Heldin ist gewöhnlich Schön-Aennelein, Roth-Aennchen, Raut-Endelein.

Was war das Motiv zu dem Jungfrauenmorde? Nicht Eifersucht, wie es aus einigen Texten scheinen könnte, sondern der Aberglaube: daß das Blut von unschuldigen Mädchen den Aussatz heile. Der Inhalt der zahlreichen Lieder zur Mädchenräubersage hängt offenbar mit dem französischen Märchen vom Ritter Blaubart zusammen. wie schon Goethe bemerkt hat. -— Auch Verwandte deutsche Sagen wissen von Räubern, die mit Aussatz behaftet waren und Weiber oder geraubte Jungfrauen töteten, um sich in ihrem

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