Vorwort zur 1. Auflage: Liederbuch des Deutschen Volkes

Carl Hase (in: Liederbuch des Deutschen Volkes (1843))

„Ein Kreis von Freunden hatte sich nach des Tages Arbeit in den Winterabenden daran erfreut gute weltliche Lieder mit einander zu lesen und zu singen. Man hielt sich vornehmlich an den deutschen Volksgesang im engeren Sinne, die bekannten Sammlungen von Herder, Nicolai, Elwert,  Büsching und von der Hagen, Brentano und von Arnim, zuletzt auch Erk und Irmer, wurden zu Rate gezogen, dazu brachte jeder von Liedern und Lesarten, was er in der Jugend in der Heimat oder auf der Wanderschaft gehört hatte. Auch das Neue und Neueste der Kunstpoesie, was in der Kinderstube bis zu den Brettern, welche die Welt bedeuten, singt und klingt, fand seine Gönner, und was den Meisten gefiel, wurde als ein gemeinsames Besitztum schriftlich niedergelegt.

Da nun dieser Schatz immer mehr anwuchs, kam Einer von uns darauf, dass ein werter Freund in Leipzig alljährlich so manches Buch drucke und mit seinen Schnellpressen unsern Liederschatz um wenig Geld in viele tausend Hände unseres Volkes geben könne. Nachdem man sich in diesen Gedanken gefunden und der Herr Verleger zugestimmt hatte, ist die Sammlung noch einmal in diesem Sinne durchgegangen worden.

Da unter Zehen, die da singen, meist Sieben nur mitsingen und aus mündlicher Überlieferung der Melodie, beschränkten wir uns, wie dies in den kirchlichen Gesangbüchern geschieht, auf den Abdruck des Textes, noch ganz unbestimmt der Zukunft anheimstellend, ob ein Melodienbuch nachfolgen soll. Es liegt in der Natur der Sache, dass bald mehr die Melodie, bald mehr die Poesie den Ausschlag gab, aber nur dasjenige ist aufgenommen worden, was wirklich in deutschen Landen, und mehr volksmäßig als kunstreich, gesungen wird oder doch von unseren Vätern gesungen worden ist.“

Bei den mannigfachen Stimmen der Lieder, die aus mündlicher Überlieferung stammen oder doch durch dieselbe hindurchgegangen sind, wurde immer diejenige Lesart aufgenommen, die dem Geiste des Liedes, mitunter wohl auch unserm eigenen, am meisten zusagte, aber niemals ist etwas Neues hineingedichtet worden. Nur die Überschriften sind, wo sie fehlen, aus unserm Eigenen hinzugetan als eine bequeme Handhabe.  Da unser Liederbuch nicht eine geschichtliche und gelehrte Bedeutung hat, sondern zum Singen ist, haben wir abweichende Lesarten bloß dann in der Note bemerkt, wenn wir nicht einstimmig waren oder doch billig schien, eine fast gleich berechtigte Lesart ihren gewohnten Freunden zu erhalten.

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