Wer schrieb: Das Schiff streicht durch die Wellen?

Franz Magnus Böhme (in: Volkstümliche Lieder der Deutschen, S. 545f)

Diese Notizen verdanke ich einer Abhandlung von Dr. K. Reifert in den akademischen Monatsblättern (VII. Jahrgang, 5. März 1895) Der liederkundige Herr ist vom Verband der kathol. Studentenvereine Deutschlands mit der historisch-kritischen Ausgabe ihres Kommersbuches beauftragt und kommt bei der Besprechung des aufzunehmenden Materials auch auf jenes Schifferlied.

An der obigen Feststellung des Verfassers kann meines Erachtens kaum noch ein Zweifel aufkommen. Es erscheint darum kaum glaublich, wie ein Frankfurter Jude, Guido von Meyer, nach dortigen Zeitungsberichten das Lied als sein Eigentum reklamieren konnte. Und doch ist es geschehen. Diese Auffälligkeit sei nicht verschwiegen. Der hochbejahrte Frankfurter Schriftsteller Friedrich Stolze erzählt in seiner „Laterne“ (Dezember 1884) über die Entstehung des Liedes:

„Im Sommer 1819 kam der russische General von Manderstierna, ein schon älterer Herr mit seiner schönen jugendlichen Gemahlin, einer geborenen Frankfurterin aus der Familie v. Hexyden, zum Besuche nach Frankfurt a.M.. Der jungen Dame zu Ehren wurde während ihres Aufenthalts in Frankfurt von seiten der angesehensten Familien mancherlei Festlichkeiten veranstaltet, darunter auch eine Wasserfahrt auf dem Maine in einer festlich geschmückten Jacht nach Hanau. Dieser Lustbarkeit wohnte auch der bekannte Frankfurter Gelehrte und berühmte Bibelübersetzer von Meyer mit seinem Sohne Guido bei, und letzterer hatte eigens für diese Gelegenheit ein Schifferlied gedichtet, das Lied “ Das Schiff streicht durch die Wellen“ und zwar nach der Melodie einen italienischen Liedes „O pescator dell´onde“ Auf der Heimfahrt wurde es mit Musikbegleitung von der Gesellschaft bei der Abfahrt von Hanau gesungen und unterwegs mehrere mal mit immer größerem Beifall wiederholt. Als zu Anfang der dreissiger Jahre das Lied volkstümlich geworden und in alle Volksliederbücher mit dem Namen Brassier als Verfasser übergegangen war, reklamierte G. v. Meyer öffentlich dagegen, aber Brassier hüllte sich in tiefes Schweigen.“

Anmerkung: Warum Böhme aus diesen beiden zitierten Textpassagen mit Sicherheit schließen will, daß Brassier der Verfasser ist und Meyer ein Lügner, ist mir schleierhaft. Alfred von Reumont war anscheinend nicht Zeuge bei der Entstehung des Liedes sondern gibt nur unbestimmte Erinnerungen an, nach denen Brassier das Lied geschrieben hätte, während Friedrich Stolze wohl Zeuge war bei der Uraufführung. Die Bemerkung „ein Frankfurter Jude“ klingt abfällig, vielleicht liegt im gesellschaftlichen Rang der beiden möglichen Verfasser der Grund für Böhmes Festlegung? Nur aus diesen beiden Textstellen heraus lässt sich meines Erachtens nicht mit Sicherheit sagen, wer das Lied geschrieben hat. (M.Z.)

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