Wer schrieb: Das Schiff streicht durch die Wellen?

Franz Magnus Böhme (in: Volkstümliche Lieder der Deutschen, S. 545f)

Franz Magnus Böhme schreibt in seinem Standardwerk “ Volkstümliche Lieder der Deutschen “ (1895) ausführlich über die Autorenschaft des vor allem im 19. Jahrhundert sehr populären Volksliedes „Das Schiff streicht durch die Wellen, Fidelin!“ Sein Text ist hier wieder gegeben:

„Die lange Zeit offene Frage über die Persönlichkeit des Autors ist endgültig gelöst durch Angaben der neuesten Conversationslexika und durch ein Buch von Alfred Reumont „Aus König Friedrich Wilhelms gesunden und kranken Tagen„. 2. Auflage, Leipzig 1855. Der zuverlässige, vielseitig gebildete Herausgeber, Diplomat und zum vertrauten Kreise Fr. Wilhelms gehörend, behandelt darin die Berliner Gesellschaft 1843-46 und kommt dabei (auf S. 239) auch auf den preußischen Diplomaten Herrn von Brassier zu sprechen, mit dem er sowohl damals, als ganz besonders 1871/72 in Florenz vielfach in persönlichem Verkehr stand. Er widmet ihm sieben Seiten und sagt auf 240ff. folgendes:

„Es ist mehr als sechzig Jahre her, seit ein Lied in aller Munde war, die Nachahmung eines bekannten italienischen Barcarola, die mit den Worten „O pescator dell´onde“ beginnt. Auch heute erinnern sich noch manche des anmutigen Liedes „Das Schiff streicht durch die Wellen“ und wenn man es auch hier und da in einer Sammlung, wie z.B. in Phil. Wackernagels “ Trösteinsamkeit “ und als Namen des Verfassers Brassier angegeben findet, so wissen wohl die wenigsten, wer dieser Poet ist. Joseph von Brassier wurde nach einer wahrscheinlich von ihm selbst stammenden Angabem zu Birlegg in Tirol am 8. August 1798 geboren; sein Vater, der im französischen Militärdienste gewesen und durch die Revolution aus seinem Vaterlande verdrängt worden war, lebte längere Zeit in Schlesien….

Der Jüngling wurde auf dem Gymnasium in Züllichau (in Brandenburg) erzogen und kam Ostern 1819 auf die Berliner Universität, um Rechtswissenschaft zu studieren. Seine schöne Tenorstimme und sein nicht gewöhnliches musikalisches Talent befreundeten ihm mit dem zu früh verstorbenen begabten rheinischen Komponisten Bernhard Klein (gestorben 1832 in Berlin). Die Barcarola ist in jenen Tagen entstanden und man hat sich noch lange daran erinnert, daß der Poet sie zur Gitarre, welche er wie Theodor Körner als „verwegener Zitherspieler“ am blauen Bande trug, „mit seinem schönen Tenor zu singen pflegte.“ –

Brassier studierte darauf noch in Heidelberg, kehrte aber wieder in die Hauptstadt zurück und trat sodann in den regelmäßigen diplomatischen Dienst. Seine diplomatische Laufbahn führte ihn an viele bedeutende Höfe Europas: nach Stockholm, Turin, Konstantinopel. 1869 kam er als Gesandter des Norddeutschen Bundes nach Florenz. folgte dann der italienischen Regierung in die neue Hauptstadt Rom und starb am 22. Oktober 1872 in Florenz an den Folgen einer schweren Operation.“

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