Vorwort: Deutsche Volkslieder (Zuccalmaglio, 1840, Band II)

Wilhelm von Waldbrühl  (Zuccalmaglio) (in: Vorwort: Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weisen)

Ich glaube daß es kein zu gewagtes Unternehmen meinerseits sey, die deutsche Volkslieder Sammlung welche der verstorbene Kriegsrath Kretzschmer begonnen, hiermit fortzusetzen. Seit meiner frühesten Iugend war ich aufmerksam auf die Lieder, welche um mich her im Volke am schönen Rheine erklangen, lauschte ich den alten Mären und als ich der Schrift mächtig war, schrieb ich mir auf, was ich behalten, was ich gehört, und so wuchs unter meinen Händen nach und nach eine bedeutende Sammlung an.

Auf der Hochschule wurde ich durch meinen Lehrer Thibaut erst recht gewahr, welchen Schatz ich besaß, wurde mehr noch aufgemuntert zu wahren und zu mehren und so meinem Volke die Kleinode der Dicht und Tonkunst zu sichern, welche jetzt durch die Fluth von fremden Singspielweisen, die durch Dreh Orgeln auf allen Iahrmärkten sich verbreiten, allmählig aus dem Gedächtnisse des Volkes verdrängt werden.

Keine Mühe ließ ich mich verdrießen, Alles möglichst vollständig in meinen Heften niederzulegen und dachte schon daran, das Geborgene zu veröffentlichen, als Kretzschmer mir sein Werk ankündigte und mich um Beisteuer bat. Mir lag nur an der Sache, nichts an dem Namen, daher gab ich meinen gesammten Schatz und die Anweisung wie er zu gebrauchen. Was die Ordnung der Sammlung betrifft, so bin ich nicht ganz mit meinem Vorgänger einverstanden und habe hier zu sichten und aufzuhellen gesucht.

Ich theile meine Gabe in Leuschen und eigentliche Lieder. „Leusche“ –  von lauschen – ist ein niederdeutsches Wort und bezeichnet jene Dichtungen, welche unter dem Namen Romanzen und Balladen verstanden werden. Mir schien das einheimische Wort bezeichnender als die erborgten Ausdrücke. Die Leuschen selber zerfielen mir am geeignetsten in Volks-Leuschen, in Gesänge, welche entweder so verbreitet sind daß sie vom gesammten deutschen Volke gesungen werden oder durch den Stoff die Sage für das gesammte Volk Wichtigkeit haben – oder in Gau-Leuschen, Gesänge. welche nur in einzelnen Gauen im Volksmunde leben.

Das eigentliche Lied theile ich in die Fächer: Haus, Andacht, Vaterland und Wehr, Lieder der Minne, Natur und Welt, Jagd, Zunft und Gewerkslieder, Zech nnd Schalkslieder, Kinderlieder, Fächer, welche mir alles Gegebene genugsam zu umfassen scheinen.

In der Ansicht über das mehrstimmige Singen weiche ich ebenfalls von der Meinung meines Vorgängers ab, ich fand daß das deutsche Volk gewöhnlich mehrstimmig singt, daß gerade der ungebildete Tbeil desselben, einen feinen Sinn für Sammtklang, Harmonik hat, der ihm angeboren, der ein Erbtheil des deutschen Stammes ist und gewiß dazu beigetragen, daß eben der Stamm so viel hohe Tonmeister hervorgebracht.

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  • Ompteda (29. März 1863)

    Noten dieses Liedes
    Georg Freiherr von Ompteda wurde am 29.03.1863 und starb am 10.12.1931. Er  wuchs in Wien und Dresden auf und wurde wie die meisten männliche Adeligen Offizier. Er besuchte 1888-91 die Kriegsakademie in Berlin, fiel vom Pferd und wurde zum Dienst untauglich. Nun wurde er Schriftsteller. (Projekt Gutenberg) ...