Die Hussiten zogen vor Naumburg

Die Hussiten zogen vor Naumburg
Über Jena her und Camburg;
Auf der ganzen Vogelwies
Sah man nichts als Schwert und Spieß,
an die hunderttausend.

Als sie nun vor Naumburg lagen
Kam darein ein großes Klagen;
Hunger quälte, Durst tat weh,
Und ein einzig Lot Kaffee
Kam auf sechzehn Pfennig

Als die Not nun stieg zum Gipfel,
faßt die Hoffnung man beim Zipfel;
Und ein Lehrer von der Schul
Sann auf Rettung und verful;
Endlich auf die Kinder.

Kinder, sprach er, ihr seid Kinder,
Unschuldvoll und keine Sünder!
Ich führ zum Prokop euch hin,
Der wird nicht so grausam sin,
Euch zu massakrieren.

Dem Prokopen tät es scheinen,
Kirschen kauft er für die Kleinen,
Zog darauf sein langes Schwert,
Kommandierte: Rechtsum kehrt!
Hinterwärts von Naumburg!

Und zu Ehren des Mirakel
Ist alljährlich ein Spektakel;
Kennt ihr nicht das Kirschenfest,
Wo man’s Geld in Zelten läßt?
Freiheit, Viktoria!

Text: Karl Friedrich Seyferth (1832)
Musik: auf die Melodie von „’s ist mir auf der Welt nichts lieber“ bzw. „Halle an der Saale Strande

Auf diese Melodie wurde bis etwa 1900 auch Als die Römer frech geworden gesungen. Der Texter des „Hussiten-Liedes“, Karl Seyfert, war damals Referendar in Naumburg, später Konsistorialrat in Posen. Hussiten: Anhänger des tschechischen Reformers Johannes Hus, 1369 – 1415. Hussitenkriege von 1419 – 1436.

Zur Geschichte dieses Liedes: ,

Parodien, Versionen und Variationen:

„Als die Römer frech geworden“ ist ein satirischer Liedtext von Victor von Scheffel, den er 1847 aus Spott über den damaligen Hermannskult verfasste. Das Lied von den frechen Römern wurde ursprünglich auf ein älteres Lied gesungen: “Als die Hussiten zogen vor Naumburg”. Erst seit etwa 1900 wurde das Lied nach der Melodie des lange Zeit verbotenen Liedes vom Bürgermeister Tschech und dem Attentat auf das preußische Königspaar populär, das wiederum auf “Kriegers Lust , Fest – Marsch” , von Josef Gungl (1810 – 1899), gesungen wurde. Diese Melodie war so beliebt, dass zahlreiche neue Texte darauf gedichtet wurden.

Anmerkungen zu "Die Hussiten zogen vor Naumburg"

Böhme schreibt in „Volkstümliche Lieder der Deutschen, 1895: „Der Text ist von Karl Seyferth, 1832 Referendar zu Naumburg an der Saale, später Regierungs- und Consistoralrath in Posen. Das Lied sollte beim Naumburger Kirschfeste zu einem großen Gemälde nach Art der Mordgeschichten gesungen werden: Zu jeder Strophe ein Bild. Aber die Philister nahmen das sehr übel, als sie vor dem Zelte der Referendarinas Gemälde entfaltet sahen. Am Abend bemächtigten sich einige desselben und verbrannten es. Trotzdem ging das Lied mit seiner bildlichen Darstellung nicht verloren. Es erschien ein Foliablatt „Bänkelgesang zur 4 Sekularfeier des Naumburger Kirsch-, Kinder- und Hussitenfestes, Melodie „Halle an der Saale Strande. Mit 6 Tableaux“ Am Ende: „Zum Andenken für die Theilnehmer des Referendarien-Zeltes 1832, gelithographiert und gesteindruckt à Paris.“ Der ursprüngliche Anfang lautet:

Hussens Leute kam’n von Camburg
Durch Klein-Jena bis vor Naumburg

So der Bericht von Dr Leonhard Reil in Kösen 1859 an Hoffmann v Fallersleben. (s. dessen volksthümliche Lieder, S. 178) In der jetzigen Gestalt erschien das Lied mit Melodie zuerst in „Deutsche Lieder„, Leipzig, Rob Friese 1843 S. 329) Es ist vielfach gedruckt und von Kindern, Studenten und Soldaten gern gesungen, erfuhr auch seiner frischen Melodie halber manche Nachdichtungen, darunter die von Viktor ScheffelAls die Römer frech geworden„. Die Melodie, welche längere Zeit für ungarischen Ursprungs galt, erklärt Ludwig Erk (Germania, 371) für die deutsche Studentenweise „’s ist mir auf der Welt nichts lieber „, 1841. Vorletzte Note steht gewöhnlich als Viertel gedruckt, weit frischer und originell wild klingt der Schluß mit 2 Achtelnoten, wie ich ihn in Thüringen und am Rhein hörte.“


Mitzschke schreibt in „Allgemeine Deutsche Biographie“., 54 (1908), S. 335-336 über Karl Friedrich Seyferth: „Als Auscultator verfasste er zu Naumburg a. d. S. im Juli 1832 zum Kirschfest das allgemein bekannt gewordene humoristische Bänkelsängerlied „Die Hussiten zogen vor Naumburg“, das damals als Bilderbogen mit sechs Caricaturen seines College Otto Bollmann (1809—1878) für die Teilnehmer des Referendarienzeltes ohne Nennung des Verfassers und des Zeichners herausgegeben wurde. Diese älteste Fassung des Textes weicht fast in allen sechs Strophen von der jetzt gangbaren Form etwas ab und beginnt z. B. „Hussens Leute kam’n von Camburg durch Klein-Jene bis vor Naumburg“. Die landläufige Umarbeitung, die den Text glatter und gefälliger gemacht hat, stammt vermutlich von R. Löwenstein oder K. H. Schauenburg. In den Schatz der deutschen Volkslieder gelangte die Dichtung in der umgearbeiteten Form, immer noch anonym, zuerst 1843 durch Aufnahme in das von R. Löwenstein, K. H. Schauenburg und J. W. Lyra herausgegebene Kommersbuch „Deutsche Lieder nebst ihren Melodien“ (Leipzig). Der Name des Verfassers ist in unrichtiger Schreibung (Seyffert) zuerst genannt in dem „Liederbuch für deutsche Gymnasien“, das der Pförtner Professor K. E. Niese 1857 anonym veröffentlichte. Eine Nachdichtung, anfänglich nach derselben Melodie, jetzt gewöhnlich nach eigener Vertonung gesungen, ist das Scheffel’sche „Als die Römer frech geworden“. Die Melodie beruht nicht auf Originalkomposition, sondern ist die des jetzt vergessenen Liedes „Halle an der Saale Strande“, und diese hinwiederum geht indirekt wohl auf eine magyarische Volksmelodie zurück, die Karl Maria v. Weber 1809 in Deutschland eingeführt hat. Neuere Illustrationen zu dem Texte des Liedes, unabhängig von Bollmann’s Zeichnungen, lieferten Alexander Zick (Deutscher Bilderbogen Nr. 218, Stuttgart), Ille 1887 (Münchener Bilderbogen Nr. 924) und Gehrts 1899 (Neue Flugblätter Nr. 24, Leipzig).

"Die Hussiten zogen vor Naumburg" in diesen Liederbüchern

u.a. in Feuerwerker-Liederbuch (1883) — Volkstümliche Lieder der Deutschen (1895) — Liederbuch Postverband (1898) — Deutscher Sang (1903) — Alte und Neue Lieder (ca, 1910, erstes Heft) — Volker (1925) —  Liederbuch des Thüringerwald-Vereins (1927) –