Kinderspiele auf dem Land (1848)

Für eine deutsche Ausarbeitung, welche eine Oberklasse während der Prüfung der Unterklasse machen sollte, gab ich bei einer Schulrevision kürzlich die Aufgabe, Aufzählung der Spiele, welche ihr im Freien spielet:

In einem einzigen Dorfe kamen da außer den Ball- und Jägerspielen, dem Haschen, dem schwarzen Mann und Blindekuh, noch folgende Namen: vor das Zwinkeweyen, das Petzaweyen, das Pferdekutschen, das Beauken ,das Meißeln, das Kullauen, das Leinwandmessen, Ackermann, Fuchsloch, Huschtanz, Huschfäßchen, Ziege melken, Wolf zupfen, Schaufeln, Kegelschieben mit einem Kegel, Polnische Brücke ziehen, Vögelchen verkaufen, Hofrat und Hofrätin, Schlößchen fest, Jakob lacht, Klieschen, Sonne und Mond, Gärtner und Gärtnerin, Schafkopf (nicht mit Karten sondern es kam dabei auf Schläge an den Kopf, auf sogenannte Kopfnüsse an)!

Anderwärts, nicht weit davon, kamen dazu: sas Sack flicken, es regnet wohl auf die Brücke?,  Nickelchen treiben, Hulegänschen kommt heim, wo wohnt der Töpfer?  Habicht und Glucke, Kranich schwenken oder Schlange ziehn, Stöberkelle, Altfreier, Wartelchen rumtragen, Milchtöpfchen umstoßen, Grabseln, Neunstein, Speckstehlen, Jakob wo bist du, Bockschlachten, Messerchen, Messerchen gut, Nadeln sieben, Strohhälmchen ziehn, Mittenstehn, Mückenspiel, Bällinspiel, Passen, Eichkätzchenspiel, Kesselchen schneiden, Nasefipps, ich fitze, ich sitze auf wems Schippe, Knüppelchen drehn, wir fahren nach Leipzig nach Toback, an einem dritten Orte, Zeck, Timtim, Kette ziehen, Pflugrädchen rennen, Häschen verschwindet, Stippatz, Bockschmeißen, Käse stippen, Himmelhäschen, Staupe kriegen, Handwerk, Stampeschlagen, Mutter Maria mit den Kohlköpfen, Bäumchen wechseln, Kopfabschneiden, Kräheschießen, Brei kochen, Rubler, Fingerchen weisen, Pfeffer stampfen, Kloß drehen, wessen Ziege ist im Garten?, Müllerspiel, was machst Du in meinem Weingarten ?, Bauerspiel, Nappatz hat seine Jacke verloren, Nixspiel, Graulingspiel, Spanischer Reiter, Klappermäuschen, Brummstock, Abram ich fasse dir an deinen Bart, Paradies, Schnecke spielen, Apfel und Birne, Semmel baden, Schuster lernen, Tönnchen tragen, Fuchs vor die Egge spannen, Ruschelchenspiel, Ringel ringel reihe

Ort und Zeit erlaubten nicht, mir die Art und Weise dieser Vergnügungen beschreiben zu lassen, auch konnte ich ja in den Spielbüchern von Gutsmuths und Bormann Belehrung finden. Gesucht habe ich wohl, aber nicht gefunden, und ich trage daher darauf an, dass bei etwaigen neuen Auflagen jene Schriften vermehrt und ergänzt werden mögen.

Wie man eine Volksliederjagd hält, so könnte man ja wohl auch eine Kinderspieljagd anstellen. Einige jener Spiele habe ich seitdem aus Anschauung kennen gelernt und habe etliche Male spielenden Kinderhaufen zugesehen, welche bei Nässe und Kälte, wo ich im Fußsack und Mantel fror, kümmerlich bekleidet, zum Teil bis an die Ohren, barfuß fröhlich petzaweyten und sich dabei mit Knütteln warfen, dass die Knochen nur so klapperten und dem Zuschauer angst und bange wurde. Von den Brettspielen und andern Unterhaltungen, durch welche man die Stadtjugend im Nachdenken üben will, wissen die Landkinder nichts. Sie brauchen eine harte Haut, harte Knochen, derbes Fleisch und eine Hirnschale, bei der das Kopfzerbrechen, nämlich das mechanische, nicht so leicht vorkommt.

Darauf hat die Mutter Natur auch schon die Kinderspiele eingerichtet. Nasse Füße, Winter und Sommerkleidung kennt das Völkchen nicht. Wer einen dicken warmen Rock, wohl gar einen Pelz hat, der trägt ihn auch im heißen Sommer, denn ein schlechtes Schaf, das seine Wolle nicht trägt, und wer nur ein leichtes Fähnchen hat, dem ist das auch im Winter genug. Wir wissen’s einmal nicht anders.

Nachschrift. Bei der unendlichen Erfindungskraft des Kindlichen Geistes; kommen übrigens auch immer neue Spiele hinzu: So hat neulich ein hiesiger Lehrer einen Haufen kleiner Knaben beobachtet; die alle an einem großen in ihrer Mitte stehenden Jungen zogen; zerrten; schoben u: s. w: Dabei rief das kleine Volk  unaufhörlich: Herunter muss er. Was spielt ihr da? Wir spielen Revolution. Der große Junge sollte also eine gewisse hohe Person vorstellen, die man in die Debatte nicht hereinziehen darf, die kleinen aber waren Blousenmänner, die den hohen Herrn „von der Hitsche“ bringen, d. h. den großen Bengel in den Staub werfen wollten. Wie die Alten sungen, so zwitscherten die Jungen.

In Schulblatt für die Provinz Brandemburg, 1848
Dreizehnter Jahrgang, neuntes und zehntes Heft, September und Oktober, Berlin in Commission bei L Oemigke 1848. S. 526

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