Storch Adebar

Der Klapperstorch und die Kinder

Gustav Eskuche und Johann Lewalter (in: Kasseler Kinderliedchen)

Storch Storch guter / bring mir einen Bruder / Storch Storch bester / bring mir eine Schwester“: So ruft schmeichelnd das Kind, das sich ohne Geschwister einsam fühlt, den Storch an, den lieben Klapperstorch, der es selbst ja, wie Papa und Mama sagen, einst mit seinem langen Schnabel aus dem „Frauhollenteich“ heraufgeholt und in das Haus getragen hat. Und sieh! wie schön doch die Eltern getröstet haben! Eines Morgens ist er durch’s Fenster herein geflogen und hat noch ein kleines Kindchen gebracht; zwar hat er die arme Mama in’s Bein gebissen, daß sie nun krank zu Bette liegt, aber dafür hat das neue Geschwisterchen dem älteren als Geschenk vom Storch eine große Dutte voll Zuckerwerk mitgebracht, die alles Leid vergessen macht. —

Dieser kindliche Bittruf an den Storch ist so alt wie allgemein. Der Storch ist von Alters her der kluge, heilige Bote der Frau Holle, der einstmaligen Göttin Holda, die, als Gemahlin Wodans auch Frigga oder Berchta genannt, die Ehe und das Haus beschützte, die Fluren segnete und in den Julinächten, wo sie zu Wagen das Land durchzog, die Spinnerinnen beaufsichtigte. Das Bild der glänzenden Walhallskönigin verblaßte allmälig zu dem einer guten Waldfee, die nun, wie die hessische Sage weiß, im Frauhollenteiche am Meißner wohnt.

Dort hört man zuweilen ihr geheimnißvolles Rauschen, und wie Glockengeläute klingt es dabei aus der Tiefe herauf, ja manchmal, um die Mittagstunde, taucht sie selbst als schöne weiße Frau mitten aus der Tiefe empor. Unten in ihrem sonnigen Garten wachsen Obst und Blumen; die schenkt sie ihren Lieblingen, auch schöne Gewänder und Kuchen.

Aus ihrem Brunnen kommen die neugeborenen Kinder. Zahl reich sind, wie überall in Deutschland, auch in Hessen die Kinderbrunnen: In Kassel wurde früher der Druselteich genannt, in Waldau gilt noch jetzt der Fackelteich, in Wolfsanger der Osterborn, in Marburg der durch die Legenden der heiligen Elisabeth bekannte Schröckerbrunnen, in Kirchhain der Klingelborn, in Fulda das Stättebrünnchen und der Bonifatiusbrunnen, in Ermschwerd der Assemannsborn, in Wettesingen der Neuborn, in Grebenstein der Kressenborn, in Witzenhausen der Taubenborn, dessen Wasser nie gefriert, in Ziegenhain das Bärbörnchen (bär — Kind, vgl. gebären) bei Treysa u. s. w. (Lynker 117).

Zuweilen ist es Holda die Segensgöttin selbst, meist aber ihr weisheitbegabter Bote, der Storch, der aus diesem Brunnen die Kinder heraufholt und drum der Kinderbringer heißt, althochdeutsch ödedero (ot — Segen oder Kind, bero — Träger).

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