Ich stand auf hohem Berge
sah runter ins tiefe Tal
Ein Schifflein sah ich schweben
darin drei Grafen warn.

Der jüngste von den Grafen
der in dem Schifflein saß
gab mir einmal zu trinken
aus einem venedischen Glas

„Ach Mädchen, du wärst schön genug,
wärst Du nur ein wenig reich;
fürwahr, ich wollt Dich nehmen,
wär´n wir einander gleich.“

Er zog von seinem Finger
ein goldenes Ringelein.
„Nimm hin, Du Hübsche, Feine,
das soll dein Denkmal sein.“

Was soll ich mit dem Ringe,
den ich nicht tragen kann?
Ich bin ein armes Mädchen,
das stehet mir nicht an.

Und weil ich ja nicht reich bin,
daß es dem Herren frommt,
will ich die Zeit abwarten,
bis meinesgleichen kommt.“

„Wenn deinesgleichen nun nicht kommt,
was willst du fangen an?“
„Dann geh ich in ein Kloster,
will werden eine Nonn´.“

Es stand wohl an ein Vierteljahr,
dem Grafen träumte es schwer,
daß sein herzallerliebster Schatz,
ins Kloster gegangen wär.

„Steh auf, mein Knecht und tummle Dich,
sattle mir und dir ein Pferd;
Wir wollen reiten Tag und Nacht,
der Weg ist des Reitens wert!“

Und als der Graf geritten kam,
wohl vor des Klosters Tür,
fragt er nach seiner Liebsten,
ob sie wohl darinnen wär.

Sie kam heraus geschritten,
in einem schneeweißen Kleid.
Ihr Haar war abgeschnitten,
zur Nonn´ war sie bereit.

Sie kam mit einem Becher,
den sie dem Ritter bot;
er trank und ein paar Stunden
danach war er schon tot.

Ihr Mädchen laßt Euch raten,
schaut nicht nach Geld und Gut.
Sucht Euch einen braven Burschen,
der euch gefallen tut.

Text und Musik: Verfasser unbekannt

Das Lied „Graf und Nonne“ ist mindestens seit 1544 in deutschen Landen bekannt, in den Niederlanden wurde es bereits im 15. Jahrhundert gesungen, Varianten des Liedes finden sich bei Erk : Deutscher Liederhort (1856 , 18a-e) — bei Erk / Böhme I, Nr.89d, Ditfurth : Fränkische Nr. 18-20, Wolfram : Nassauische 17b — Zupfgeigenhansl (1908) — Verklingende Weisen I (1926, mit zweiter Melodie aus Lothringen )
Zu den hier aufgeführten Melodien: Die erste Melodie ist nach der von Goethe 1771 im Elsaß aufgezeichneten Melodie wiedergegeben, die zweite Melodie ist ebenso aus dem Elsaß, aber von 1782 ( beide aus dem Zupfgeigenhansl von 1908.) Die dritte Melodie ist aus Deutsches Lautenlied (1914) , ähnlich auch in Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Singweisen (1841). Die vierte Melodie ist aus Deutscher Liederhort (1856).

Liederthema: ,
Liederzeit: vor 1544 : Zeitraum:
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Zur Geschichte dieses Liedes: , ,

Parodien, Versionen und Variationen: Es spielt ein Ritter mit seiner Magd. Ballade von einer ungewollten Schwangerschaft, schon 1544 im Antwerpener Liederbuch. Vielfach mündlich überliefert. Das Lied hat das „Recht der ersten Nacht“ (Jus Primae Noctis“) zum Thema ( Hans Ostwald). Ein reicher Ritter bzw Graf beschläft seine Untergebene, diese wird ungewollt schwanger, treibt das Kind ab und stirbt. In mehreren Versionen überliefert, hat das Lied oft noch eine Wendung, in der dem Grafen bzw. Ritter träumt, dass das Mädchen im Sterben liegt. Er reitet ihr nach und stirbt an ihrem Sarg. Der letzte Teil,... weiter lesen