Stolz eilt es durch die hohen Meereswogen (Brand der Austria)

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Stolz eilt es durch die hohen Meereswogen (Brand der Austria)

Stolz eilt es durch die hohen Meereswogen
ein Dampfboot dessen Name Austria
Von Hamburg kommt es rasch daher gezogen
es ist bestmimt nach Nordamerika
Bewohnt mit vielen lieben Menschenseelen
Gar mancher, der verläßt sein Vaterland
und niemand ahnet, daß er sollte wählen
den Tod des Meeres oder Tod durch Brand

Soeben war die Mittagszeit verflossen
Da brach ein Schreckenselement sich Bahn
Ein Feuerschlund ist überall gegossen
die Fahrt des Schiffes facht sehr rasch es an
im langen stark bewohnten Zwischendecke
in hellen Strömen es zur Elbe träuft
wo Hab und Gut bis in die kleinste Ecke
an jeder Stätte waren aufgehäuft

Rauchwolken bahnten überall sich Wege
und Feuerflocken kreuzten ringsumher
und immer kräft´ger wird die Flamme rege
ein Angstgeschrei ertönt verhängnisschwer
Der Macht des Elemente, des fesselfreien
entrinnet eiligst Mann und Weib und Kind
Und an des kräft´gen Seemanns Männerreihen
ertönt der Officiere Wort geschwind

Doch ob im umsichtsvollen Augenmerke
man Rat und Hülfe leistet hier und dort
die übergroße Angst und Menschenstärke
bringt nicht ein Boot mit Vorsicht über Bord
Wie rasend füllen sich die kleinen Schalen
der Mannschaft Schreien wird ganz überhört
und wer entrinnt des Feuerschlundes Qualen
wird von den wilden Wellen gleich verzehrt

Das Element kennt Zügel nicht und Schranken
das Angstgeschrei tönt weithin über´s Meer
Die starken Masten fangen an zu wanken
kein rettend Schiff kommt aus der Ferne her
Es bleibt die Wahl nur noch den Armen über
des wilden Meeres oder Flammentod
und viele wählen sich das erste lieber
ihr letzt´ Gebet steigt auf zum ew´gen Gott

Ein Gatte segnet alle seine Lieben
und stürzt sich samt der Gattin in die Flut
Den Säugling, der in seinem Arm geblieben
drückt er ans Vaterherz mit Liebesglut
Vertraun auf Gott, stürzt er sich mit dem Kleinen
den schon voran geschickten Leuten nach
Das Auge, welches nicht erstarrt, muß weinen
und jeder Brust entquillt ein tiefes Ach

Doch nein, ich lege meine Feder nieder
wer kann beschreiben dieses Schreckensbild
Nur etwas dieses Schicksals geb ich wieder
das Leidensmaß war nur erst halb gefüllt
Zwar einige die wurden noch gerettet
Durch braver, edler Biedermänner Hand
was sonst nicht liegt im Meeressand gebettet
ist durch das Schreckenselement verbrannt

Text: in Handschriftliches Liederbuch des Seemanns Marcus Schlüter aus Dückermühle bei Glückstadt in Holstein 1860–1863, Nr. 55. DVA: A 154409  – andere Version Unter dem Titel „Stolz zog durch die Meeresfluten“ als Moritat 1958 erstmals gedruckt bei J. Kahlbrock Wwe., Grünersood No. 52. [Hamburg 1858]. „Schiffsbrand des Dampfschiffes Austria, mit 538 Personen von Hamburg nach New-York bestimmt.“
Musik: auf die Melodie von Denkst du daran mein tapferer Lagienka

Liederthema: , ,
Liederzeit: vor 1858 : Zeitraum:
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Geschichte dieses Liedes:

Zur Geschichte dieses Liedes:

Parodien, Versionen und Variationen: „Denkst du daran mein tapferer Lagienka“ ist ein Lied aus dem 1825 erstmals aufgeführten Singspiel ”Der alte Feldherr” von Karl von Holtei  (1798-1880). Das Lied ist ein Wechselgesang der in dem Singspiel auftretenden Figuren Thaddäus und Lagienka: Tadeusz Kosciusczko mit seinem Soldaten Lagienka.. Holtei schrieb es nach einem französischen Lied von Émile Debraux von 1815, dass die napoleonische Armee und ihre Feldzüge verherrlichte: “Te souviens tu disait un capitaine”. Der Unterschied der Strophe 5  in verschiedenen Versionen erklärt sich daraus, “daß Holtei sein  Stück nach der Niederschlagung des polnischen Aufstandes von 1830/31, auf Grund der inzwischen erschienenen Biographie... weiter lesen

Anmerkungen zu "Stolz eilt es durch die hohen Meereswogen (Brand der Austria)"

Historischer Hintergrund für das Lied „Stolz zog durch die Meeresfluten“ ist der Schiffsbrand der „Austria“, bei dem am 13. September 1858 Hunderte von Menschen auf dem Atlantik starben. Der Text erschien noch im selben Jahr im Druck und wurde als Moritat gesungen. In handschriftlichen Liederbüchern ist das Lied bis ins beginnende 20. Jahrhundert weitertradiert worden. (siehe Liederlexikon)