In Warschau schwuren Tausend auf den Knien

Volkslieder » Arbeit und Berufe » Schuster »

=> (Alle Versionen)

In Warschau schwuren Tausend auf den Knien:
Kein Schuß im heil´gen Kampfe sei getan
Tambour, schlag an! Zum Blachfeld laßt uns ziehen
Wir greifen nur mit Bajonetten an!
Und ewig kennt das Vaterland und nennt
mit stillem Schmerz sein viertes Regiment

Und als wir dort bei Praga blutig rangen
Hat von uns keiner einen Schuß getan
Und als wir dort den argen Todfeind zwangen
Mit Bajonetten ging es drauf und dran
Fragt Praga, das die treuen Polen kennt
Wir waren dort das vierte Regiment

Drang auch der Feind mit tausend Feuerschlünden
Bei Ostrolenka grimmig auf uns an
Doch wußten wir sein düster Herz zu finden
Mit Bajonetten brachen wir uns Bahn
Fragt Ostrolenka, das uns blutend nennt
Wir waren dort das vierte Regiment

Und ob viel wackre Männerherzen brachen
Doch griffen wir mit Bajonetten an
Und ob wir auch dem Schicksal unterlagen
Doch hatte keiner einen Schuß getan
Wo blutig rot zum Meer die Weichsel rinnt
Dort blutete das vierte Regiment

Doch weh, das Vaterland verloren
Ach fraget nicht, wer uns das Leid getan
Weh allen, die in Polenland geboren
die Wunden fangen frisch zu bluten an
Und fragt ihr, wo die ärgste Wunde brennt
Ach, Polen kennt sein viertes Regiment

Gott mit euch, Brüder, die vom Tod getroffen
An unsrer Seite dort wir stürzen sahn
Wir leben noch, die Wunden stehen offen
Und Um die teure Heimat ist´s getan
Herr Gott im Himmel, schenk´ ein gnädig End
Uns letzten noch vom vierten Regiment

Von Polen her im Nebelgrauen rücken
zehn Grenadiere in das Preußenland
Mit dumpfem Schweigen, gramumwölkten Blicken
ein „Wer da?“ schallt — sie stehen fest gebannt
Und Einer spricht : „Vom Vaterland getrennt?
Die letzten Zehn vom vierten Regiment!“

Text: von Julius Mosen  geschrieben am 5. Januar 1832
diese Fassung aus Krozingen , Amt Staufen , mündlich um 1900 , in: Badischer Liederhort (1910) , daher Steinitz II (1962)

Musik: auf die Melodie von :  „Denkst du daran  mein tapferer Lagienka“ – Das Gedicht wurde aber bald nach seiner Entstehung mehrfach vertont und erfreute sich großer Beliebtheit.

Weitere Vertonungen gibt es von Ludwig Berger op. 27; Melodie von A. Schuster in Methfessels Commers- und Liederbuch  1851, Nr. 70; Härtel , Deutsches Liederlexikon , 1865, Nr. 427; um 1835 von J. Burkhardt  vertont ( Heeger ) , 1832 auf vielen Bühnen Deutschlands in dem Vaudeville von Lortzing „Der Pole und sein Kind

Liederthema: ,
Liederzeit: vor 1832 : Zeitraum:
Schlagwort:
Orte: ,
Geschichte dieses Liedes:

Zur Geschichte dieses Liedes:

Parodien, Versionen und Variationen:

„Denkst du daran mein tapferer Lagienka“ ist ein Lied aus dem 1825 erstmals aufgeführten Singspiel ”Der alte Feldherr” von Karl von Holtei  (1798-1880). Das Lied ist ein Wechselgesang der in dem Singspiel auftretenden Figuren Thaddäus und Lagienka: Tadeusz Kosciusczko mit seinem Soldaten Lagienka.. Holtei schrieb es nach einem französischen Lied von Émile Debraux von 1815, dass die napoleonische Armee und ihre Feldzüge verherrlichte: “Te souviens tu disait un capitaine”.

Der Unterschied der Strophe 5  in verschiedenen Versionen erklärt sich daraus, “daß Holtei sein  Stück nach der Niederschlagung des polnischen Aufstandes von 1830/31, auf Grund der inzwischen erschienenen Biographie T. Kosciuszkos von Karl Falkenstein, umarbeitete und in unserem Lied die anfängliche Schlußstrophe durch eine neue ersetzte” (Steinitz II (1962)

Das Lied war äußerst beliebt:  “In Leipzig hatten sich 1200 Zuschauer zu einem für die Polen veranstalteten Konzerte im Gewandhaussaale eingefunden, das seinen stürmischen Höhepunkt erreichte, als das Nationallied “Denkst Du daran…” ertönte. ( in: “Komet” Beilage Nr.1 vom 7.1. 1832, zitiert nach Steinitz II (1962

In dem  Buch „Das Kölnische Volks- und Karnevalslied” (1951, S. 182—186) führt Paul Mies  zu “Denkst du daran mein tapferer Lagienka” an, daß diese Melodie im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts sehr beliebt war;  sie würde „besonders gewählt, wenn es sich im Text um Erinnerungen, um Abschied, um wehmütige Gedanken handelt”. Mies führt 10 Lieder auf diese Melodie an….

Das Lied war in Polen noch um 1900 bekannt. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Mitteilung von Böhme ( Volkstümliche Lieder, S. 82), daß unser Lied schon 1840 von polnischen Bauernmädchen, die als Landarbeiter nach Schlesien kamen, gesungen wurde: “Der Cantor Jakob zu Hainau in Schlesien ließ sich 1840 in Bad Altwasser von jungen Polenmädchen den polnischen Text vorsingen, und die Melodie stimmte mit der bei Holtei überein. Ein Pole versicherte: “Die Melodie ist echt polnisch!”

Anmerkungen zu "In Warschau schwuren Tausend auf den Knien"

„In den Liederbüchern der sozialdemokratischen Bewegung der 1870er Jahre wird — im übrigen ein wichtiger Beweis für die Volkstümlichkeit des Warschau-Liedes in so später Zeit — für das oppositionelle Soldatenlied „Ich bin Soldat, doch bin ich es nicht gerne“ angegeben: „Weise: Bei Warschau schwuren Tausend auf den Knien“; …unser ins Polnische übersetztes und dort sehr volkstümlich gewordenes Lied“  wurde ebenfalls von dem Polenlied „Denkst du daran, mein tapferer Lagienka“  übernommen. ( Steinitz II , 1962

laut Steinitz erscheint das Lied in zahlreichen gedruckten Liederbüchern der 1830er und 1840er Jahre und ist noch viermal aus der Volksüberlieferung der späteren Zeit nachzuweisen, so ähnlich in:  —  J. J. Algier Universal-Liederbuch (1841) —  Walpersdorf in Nieder-Österreich (1894) und beim Österreichischen Volksliedwerk  (1906) , beide Texte zurückgehend auf ein Flugblatt aus Wien nach 1850 — bei Heeger , Rheinpfalz ( Bissersheim u. Leistadt ) um 1900 — Oberschefflenzer Volkslieder (1853-1860) — ein Hinweis auf den Text im Sammlungsbuch des  J. J. Weigel aus Morchenstern , Böhmen ( um 1840 geschrieben ) —  handgeschriebenes Liederheft von 1893 aus Ruma, Syrmien , Ungarn — Illustriertes Volksliederbuch nach 1871

Im alten Österreich war das Lied vermutlich wegen diverser Flugblattdrucke sehr verbreitet , hinzu kommt die „Namensähnlichkeit“ zum 4. Infanterie-Regiment ( Deutschmeister ) in Wien, wo das Lied 1914 noch parodiert wurde „…aber beim Dreinhau´n, beim Stürmen und beim Fechten, da war´n ma d´letzten zwa vom 4. Regiment“ (Fliegendes Blatt , J. Blaha , Wien I, Nr. 854) – alle Angaben nach Steinitz II (1962)