Störtzenbecher und Gödeke Michael
die raubten beide zu gleichem Teil
zu Wasser und auch zu Lande
bis dass es Gott im Himmel verdroß
dess mußten sie leiden grosse Schande
Sie zogen für den Heydnischen Soldan
die Heyden wollten eine Wirtschaft han
sein Tochter wollt er beraten
Sie rissen und krischen wie zween wilde Bärn
Hamburger Bier trunken sie gerne
Störtzenbecher sprach sich allzuhand
die Wester See ist mir wohl bekannt
daß will ich uns wohl holen
Die Reichen Kaufleut von Hamburg
sollen uns das Gelag bezahlen
Sie liefen Ostwärts neben das Leik
Hamburg Hamburg nun tu deinen Fleiß
an uns kannst du nichts gewinnen
Was wir bei dir auch wöllen tun
das wöllen wir jetzt beginnen
Und das erhört ein schneller Bot
er war von einem klugen Rat
kam gen Hamburg eingelaufen
er fragt nach des ältest Bürgermeisters Haus
den Rat fand er zuhausen
Mein liebe Herren all durch Gott
nehmt diese Red auf ohne Spott
die ich euch will verkünden
Die Feindligen euch gar nahe hierbei
sie liegen am wilden Hafen
Die Feind liegen euch für der Tür
des habt ihr Herren zweier Kür
Sie liegen da an dem Sande
Laßt ihr sie wieder von hinnen ziehn
dess habt ihr Hamburger Schande
Der älteste Bürgermeister sprach zuhand
gut Gesell du bist uns unbekannt
wobei sollen wir dir glauben
Das sollt jhr Edle Herren tun
bei meinem Eid und Treuen
Ihr sollt mich setzen aufs Kasteel
So lang bis ihr eure Feinde seht,
Wohl zu diesen Stunden
Spürt ihr denn einig Wanken an mir
So senkt mich gar zu dem Grunde
Die edlen Herren von Hamburg
Gingen zu Segel wohl mit der Flut
Hin nach dem neuen Werke
Vor Nebel konnten sie nicht sehen
So dunkel waren die Wolken
Die Sonn brach durch, die Wolken wurden klar
Sie fuhren fort und kamen dar
Großen Preis wollten sie erwerben
Störtzenbecher und Gödeke Michael
Die mußten darum sterben
Sie hätten ein Hülk mit Wein genommen
Damit waren sie auf die Wiesen kommen
Dem Kaufmann da zu Leide
Die wollten damit in Flandern reisen
Aber sie mußten davon scheiden
Hört auf ihr Gesellen, trinket nun nicht mehr
Dort laufen drei Schiff in jener See
Uns grauset für der Hamburger Knechte
Kommen uns die Hamburger ans Bord
Mit ihnen müssen wir fechten
Sie brachten die Büchsen wohl an die Bord
Zu allen Schüssen gingen sie fort
Da hört man die Büchsen klingen
Da sah man so manchen stolzen Held
Sein Leben zum Ende bringen
Sie schlugen sich drei Tag und Nacht
Hamburg die war darauf bedacht
Wohl zu denselben Stunden
Das uns ist lang zuvor gesagt
Das haben wir jetzt befunden.
Die bunte Kuh aus Flandern kam
Wie bald sie das Gerücht vernahm
Mit ihren starken Hörnen
Sie gingen herbrausen durch die wilde See
Den Hollick wollte sie verstören.
Der Schiffer sprach zum Steu’rmann:
Treib um das Ruder zum Steur-Bord an
So bleibt der Holck bei dem Windel
Wir wollen ihm laufen sein Kasteel entzwei
Das soll er wohl befinden
Sie liefen ihm sein Vor-Kasteel entzwei
Traun, sprach sich Gödeke Michael
Die Zeit ist nun gekommen
Dess müssen wir fechten um unser beider Leib
Es mag uns schaden oder frommen
Störtzenbecher sprach sich allzuhand
Ihr Herrn von Hamburg tut uns kein Gewalt
Wir wollen euch das Gut aufgeben
Wollet ihr uns stahn vor Leib und Gesund
Und fristen unser junges Leben
Mein Herr, sprach sich Herr Simon van Utrecht
Gebt euch gefangen all auf ein Recht
Und laßt euch nit verdrießen
Hätt ihr dem Kaufmann kein Leid getan
Deß werd’t ihr wol genießen
Da sie nun auf die Richtstätt kamen
Nit viel Guts sie da vernahmen
Sie sahen die Köpfe stecken
Ihr Herren, das sind unsere Mit-Compan
So sprach sich Störtzenbecher
Sie wurden gen Hamburg in die Haft gebracht
Sie saßen da nicht länger als eine Nacht
Wohl zu denselben Stunden
Ihr Tod ward also sehr beklagt
Von Weibern und Jungfrauen.
Ihr Herren von Hamburg, wir bitten nur ein Bitt
Die mag euch zwar beschaden nit
Und bringen euch auch kein Quade,
Dass wir mögen den Trovenberg hingahn
In unserm besten Gewade
Die Herrn von Hamburg täten ihn‘ die Ehr
Sie ließen ihn‘ Pfeifen und Trommeln vorgehn
Sie hätten es erkoren
Wären sie wieder in der Heidenschaft gewest
Sie hätten es lieber entboren
Der Scharfrichter hieß sich Rosenfeld
Er hieb so manchen stolzen Held
Mit also freiem Mute
Er stand in feinen geschnürten Schuh
Bis an die Enkel im Blute
Hamburg, Hamburg, des geb ich dir den Preis
Die Seeräuber werden es nun weis
Um deinetwillen müssen sie sterben
Des magst du von Gold ein Krone trag’n
Den Preis hast du erworben
Text und Musik: Verfasser unbekannt
in Deutscher Liederhort II (1893, Nr. 233)
Das berühmte Lied auf zwei 1402 gefangene und zu Hamburg enthauptete Seeräuber, Störtebeker und Gödje Michael, war ursprünglich in niederdeutscher Sprache abgefasst, ist uns aber bloß in hochdeutschen Texten erhalten.
Die Melodie (d. h. der lange gesuchte, zu andern Liedern im 16. Jahrhundert angeführte .Störtebekerton“) hat sich endlich gefunden. Sie ist aus Fabricius‘ Liederbuch … 1603 zu Rostock geschrieben) zuerst mitgeteilt durch Dr. Bolte im Jahrb. f. niederd. Sprachenforschung 13. Bd. Musikbeil. I. Danach hier. Eine sehr ähnliche Fassung bringt ein Fragm. bei M. Franck.“Fasc. quodlibeticus 1615, das ich im Altd. Liederb. Nr. 366 abdrucken ließ. Meine Vermutungen dort, auf andere damals übliche Singweisen gerichtet, sind damit abgetan. — Der Melodie hat Fabricius blos das Anfangswort „Störtenbeker“ beigeschrieben; wir haben zur Ergänzung das Textfragment von 1609 unter die Noten gesetzt. (Böhme im Liederhort)