Vorwort: Kinder-Gärtlein (1843)

Heinrich Weikert (in: Kindergärtlein (1843))

Mancher ernste Leser möchte wohl beim Durchblättern dieses Werkchens ein Wort über Zweck und Anlaß seines Erscheinens vermissen. Dies veranlaßt den Herausgeber zu folgenden Erklärungen. Vor Allem muß er erklären, daß sein Werkchen mit Ausnahme weniger Blätter sich von aller abstrakten Moral fernhaltend, nicht für diejenigen bestimmt ist, denen die Kinderwelt und ihr Wesen entfremdet, sondern bloß für solche Mütter oder deren Stellvertreter, die sich selbst in den Kinderhimmel mit all den Sternen und Wolkenschäfchen versetzen können, die auf ihm als Liedchen, Scherzreime und Mährchen stehen und die ihm namentlich die Volksdichtung liefert, welche durch ihren offenen Sinn für ungekünstelte Natur so wie durch ihre Lebendigkeit in Auffassung und Ausdruck dem wahren Kinderleben und Kindertreiben am nächsten steht.

Diesen wird eine Gabe, die hauptsächlich durch ihren naiven Inhalt zum Kinderherzen sprechen, die Phantasie beleben und Gedanken und Gefühle günstig anregen soll, zum Handgebrauch bei den ersten Beschäftigungen der Kinderphantasie und bei schöner heitern Ausbauung des Kinderlebens gewiß willkommen sein, denen welche an der Entwickelung des Volkscharakters haben, möchte das Büchelchen eine nicht unerfreuliche sein, indem sie in demselben viele noch volksthümliche Kinder und Ammenreime erhalten, die der seit mehreren Jahren aus der Nähe und Ferne vieler Mühe gesammelt hat .

Freunde des Kinderlebens werden bei manchen dieser Liedchen und Reime sich in ihre Kinderzeit versetzt sehen, wo diese Liedchen ihre Phantasie umgaukelt und ausgefüllt und mit unnennbarem, kaum noch erinnerlichem Zauber umstrickt hielten. Ja diese Liedchen und Reime werden gewiß noch manche andere verklungene Träume Sprüche und Liedchen ihrer Kinderzeit in seliger Erinnerung vor ihre Seele führen.  An diese Freunde des Kinderlebens richtet im Interesse der Kinder der Herausgeber die freundliche Bitte, diese ihnen noch bekannten volksthümlichen Kinderreime, welche hier noch nicht aufgenommen sind durch Buchhändlergelegenheit, der auf dem Titel genannten Verlagshandlung, ihm gütigst schriftlich zuzusenden, damit dieselben bei einer zweiten Auflage der Gefahr einer gänzlichen Vergessenheit entzogen werden möchten.

Hier und da hat der Herausgeber die in verschiedenen Ammensprüchen vorkommenden Derbheiten auch wohl Obszönitäten mildern oder ganz weglassen zu müssen geglaubt, weil er dafür hält, daß man Alles was die Reinlichkeit der Denk- und Sinnesweise der Kinder gefährden könnte, entfernt halten müsse. Die verständige Mutter, oder wer sie vertritt, wird bei dem Mitteilen dieser Anthologie das Alter des Kindes zu berücksichtigen und hiernach die Wahl der Liedchen zu treffen wissen.

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