Erlebnisse von der Hausagitation

Eine Funktionärin unseres Verbandes (in: Der Textilarbeiter, Nummer 13, 1. 4. 1927)

Ein herrlicher Sonntagmorgen war es, als wir Funktionäre, achtzehn an der Zahl, uns in D….. trafen, um für unseren Verband auf Hausagitation zu gehen. Galt es doch dieses mal, die säumigen und gleichgültigen Arbeitsschwestern und Arbeitsbrüder einer Kammgarnspinnerei aufzumuntern und unserer Organisation wieder zuzuführen. Die Einteilung war bald getroffen. Wir gingen zu Zweien, ausgerüstet mit den notwendigen Informationen und einer Anzahl Adressen, mit frischem Mut an die Arbeit.

Unser Weg führte uns zuerst zu einer jungen Arbeiterin, kaum 18 Jahre alt. Sie war nicht wenig erstaunt über unseren frühen Besuch. Wir stellten uns als Vertreter des Deutschen Textilarbeiterverbandes vor, und da es sich um eine Arbeiterin handelte, ergriff ich als erste das Wort. Ich befragte sie, welche Gründe vorliegen, daß sie unserer Organisation den Rücken gekehrt habe. Sichtlich verlegen, aber ehrlich genug zu bekennen, gab sie uns zur Antwort:

„Ja, weil die a n d e r e n keine Beiträge mehr für den Verband bezahlt haben, so war es mir schließlich auch einerlei. Bei den schlechten Löhnen kann man sich nichts erübrigen, da fehlt einem jeder Pfennig.“ Auf unsere Entgegnung, ob sie glaubt, allein, ohne Hilfe der Organisation, sich einen besseren Lohn verschaffen zu können, gab sie uns nur zögernd zur Antwort: „Nein, gewiß nicht, aber…“

Jedenfalls gelang es uns nach einigem Hin- und Herreden die Kollegin für unsere Organisation zurückzugewinnen. Sie gab uns das Versprechen, unsere Worte zu beherzigen und nun regelmäßig ihren Beitrag zu entrichten. Zum Schluß versäumte ich nicht, sie auf die besonderen Zusammenkünfte unserer Arbeiterinnengruppe am Orte aufmerksam zu machen. Mit einem kräftigen Händedruck verabschiedeten wir uns.

Wir gingen weiter und suchten einen jungen Textilarbeiter auf, einen Spinner von Beruf. Auf unser Befragen, warum er von unserer Organisation nichts mehr wissen wollte, gab er uns zur Antwort: „Ach, ich habe anderes zu tun, ich bin im Fußballclub und im Turnverein, und da hat man keine Zeit sich noch um andere Dinge zu kümmern, zumal man vom Verband doch nichts hat.“

Diese Äußerung kam uns gerade recht, um ihm auseinanderzusetzen, daß wir als Arbeiter neben der Sportbewegung nicht die andere, zumindest die viel wichtigere Gewerkschaftsorganisation, vergessen dürfen. Der Sport würde ja, wenn alle Arbeiter eine solche Ansicht, wie unser junger Freund, vertreten wollten, bald zum Fluch der Arbeiterschaft gereichen um man würde sehr bald einsehen müssen, daß, um Sport treiben zu können, vorerst günstige Lohn- und Arbeitsbedingungen notwendig sind.

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