Im tiefen Wald im Dornenhag

Im tiefen Wald im Dornenhag
Da schläft die Jungfrau hundert Jahr
Es schläft die Flieg an der Wand
In dem Schloß Hund und Roß
Es schläft wohl auf dem Herd der Brand

Der Ritter zog sein Schwerdt da frisch
und hieb  sich ab das Dorngebüsch
und ging hinein in´s Königshaus
in´s Kämmerlein zum Bettelein
Küßt auf den Mund die schlafende Braut

Da wacht das schöne Mägdelein
Schenkt ihm ihr feines Ringelein
Die Flieg erwachet an der Wand
In dem Schloß Hund und Roß
Auf dem Herd erwacht der Feuerbrand

Text: Verfasser unbekannt – vermutlich von Zuccalmaglio
Musik: Als ich bei meinen Schafen wacht

als „Der Wecker“ in Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weisen (1841 , Band II, „am Niederrhein gesungen – zur Brunhilde-  oder Dornröschen – Sage“) – Siehe auch das Kinderlied „Dornröschen war ein schönes Kind
Volkstümliche Lieder der Deutschen (1895, „von Zuccalmagio selbst..?)

Liederthema:
Liederzeit: vor 1841 : Zeitraum:
Schlagwort:
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Geschichte dieses Liedes:

Zur Geschichte dieses Liedes:

Parodien, Versionen und Variationen:

Der Text des heute noch gesungene Kinderspiels und Tanzliedes nach dem Märchen von Dornröschen, entstand vermutlich Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts in Kindergärten. Als Vorlage diente „Die Anna saß am Breitenstein“ bzw.Mariechen saß auf einem Stein„. Dieses ältere  Lied hat deutliche Bezüge zu der Blaubart-Sage  von dem mordenden Ritter Blaubart. 

Um 1841 wurde die Geschichte vom Dornröschen noch auf eine recht dramatische Melodie in Moll gesungen: „Im tiefen Wald im Dornenhag..“.  In Moll sang man auch ein Lied von der wunderschönen Anna auf dem Breitenstein, die von einem Mädchenmörder getötet wird. Auch in dieser Mord-Geschichte geht es um eine verbotene Tür, die nicht geöffnet werden darf. Und sowohl die Geschichte vom Mädchenmörder Blaubart als auch das Märchen vom Dornröschen stehen 1812 in den Märchen der Gebrüder Grimm.

Die Melodie von der „Anna auf dem Breitenstein“ hat auch am Schluß Anklänge an das heutige Dornröschen-Lied, und nun scheinen sich die beiden Lieder vermischt zu haben, denn Johann Lewalter zeichnet um 1890 beide Lieder auf die gleiche Melodie auf, diejenige, die vermutlich über den Kölner Karneval populär wurde. Der preußische Kapellmeister Wilhelm Beez verwendete sie um 1882 in einem Militärmarsch.

Diese Melodie wird im C-Teil des Hacketäuer-Marsch von Wilhelm Beez, gebohren 1856 in Mühlhausen, gestorben 1929 in Köln-Mühlheim, verwendet. Dieser C-Teil ist auch als „Hannes met den Hut Polka“ bekannt, in Münsterland und Norddeutschland als „O Hannes wat een Hoot“ bzw. „O Hannes wat’n Haut“ mit entsprechendem Plattdeutschen Texten gesungen. Am Niederrhein zählten sie wohl zu den Drickestänzen zum Schluss wurde „Der Drickes kritt dä Taler nitt“ gesungen, in einigen antisemitischen Musikzeilen wird statt Drickes „Dä Jüd“ genannt.

Und so wird das Dornröschenlied bis heute in den Kindergärten gesungen und gespielt. Böhme schreibt in „Deutsches Kinderlied und Kinderspiel (1897):

„Hier ist ein altes Volksmärchen mit kurzen Zügen in Sang und Spiel dargestellt, alles Erzählte wird durch Gebärden versinnlicht; es ist eine Kinderballade mit Pantomimen. Die Textworte sind offenbar nicht Volksüberlieferung , sondern neueres Kunstgedicht für Spielschulen, aber recht lobenswert gemacht. Ausnahmsweise habe ich diesen Spielgesang aufgenommen, weil die Grundlage ein schönes deutsches Volksmärchen und die Darstellung gut volkstümlich und sehr verbreitet ist. Es kann dieses Stück als augenfälliger Beleg dafür dienen, wie in der Vorzeit unsere alten Balladen entstanden und als Reigen mit Gebärdenspiel vom Volke getanzt, daher sie nicht ohne Grund Ballaten (= Tanzlieder ) genannt wurden.“

Anmerkungen zu "Im tiefen Wald im Dornenhag"

Mitgeteilt von Zuccalmaglio in Kretzschmers Volkslieder II 29 In seinem handschriftlichen Verzeichnis hat Zuccalmaglio bemerkt: Wurde um 1830 noch in Odenthal am Niederrhein gesungen. Die Dornröschen- oder Brunhilde.Sage hängt mit der Siegfried-Sage und dem Sonnencultus zusammen. Die Melodie, welche Zuccalmaglio beifügt, ist die altkatholische Volksweise Als ich bei meinen Schafen wacht (s. Bäumker I Nr 162) aus dem Kölner Gesangbuch 1623 u Liederhort III 654. Dadurch wird auch der Text in seinem Ursprung sehr verdächtig und mag Erfindung von Zuccalmaglio sein. (Böhme, Volkstümliche Lieder der Deutschen, 1895)