Seid nur lustig und fröhlich ihr Handwerksgesellen

Geographie der Handwerksburschen

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Seid nur lustig und fröhlich ihr Handwerksgesellen

Seid nur lustig und fröhlich
ihr Handwerksgesellen
denn es kommt die Zeit
die uns all erfreut
sie ist schon da

Wir haben uns besonnen
Feierabend genommen
Ganz in der Still
Reden nicht viel
Brauchen nicht viel Wort

Wir haben uns besonnen
Wo wir werden hinkommen
Reisen ist kein Schand
Zu Wasser und zu Land
Gehn auch Abends zu Bier

Kaiser, Könige zu sehen
Etwas zu erlernen
Von Bescheidenheit
Von der Höflichkeit
Wie auch von Manier

Wir haben uns besonnen
Wo wir werden hinkommen
In das Österreich
Gilt uns Alles gleich
Wien ist die Hauptstadt

Preßburg in Ungarn
Hat uns bezwungen
Breslau in der Schlesing
Bin ich schon gewesen
Das gefällt mir wohl

Moskau in die Rußland
Mancherlei Leder sind mir bekannt
Juchten und Corduan
Zucker und Marzipan
Isst man da zum Frühstück

Botzen im Ellischland
Innsbruck im Tirolerland
Setz mich auf das Meer
Fahre hin und her
Nach Holland hinein

Amsterdam in die Holland
Schöne Farben sind da bekannt
Grün und gelb und blau
Rot und weiß und grau
Wie auch die Carmosine

Haben einen weiten Gang
Fort ins Schwabenland
Frankreich in Paris
Wo ich den Bruder Hanaur krank verließ
Ist allda ein Lazarethe

Reisen wir nach Sachsen
Wo die schönen Mädchen wachsen
Hätt ich dran gedacht
Hätt ich eine mitgebracht
Für den Altgesellen, auf der Post

Prag in Böhmen da mag ich nicht sein
Sein so viele Juden darein
Der heilige Nepomuck
Steht auf der Prager Bruck,
Schafft die Juden doch nicht fort

Berlin in der Brandenburg
Willst du nach Potsdam
mußt du durch
Auf der langen Bruck
Steht der Kurfürst mit Perruck
Ist gar schön an zu sehn

In Halle an der Saalen
Da wollt mirs nicht gefallen
Weil da der Handwerksbursch
Allzuviel leiden muß
von den Herren Studiosibus

Dreißigtausend, groß und klein
Studitudenten tun drin sein.
Ein und alle Tag
Ist es eine Klag
Daß eine Mordtat geschah

Kopenhagen an dem Sund
viel Schiffe lagen da zu Grund.
übers weite Meer
Bringt man den Stockfisch her
Wie auch Seehunde

London in England
Schöne Pferde sind uns da bekannt
Die laufen so geschwind
Wie der Wirbelwind
Haben aber keine Schwänze

Wer da reisen will nach Schottland
Mach sich mit dem Schurnalier bekannt
Der hat einen Gaul
Aber der ist faul
Wie die Tausend-Schockschwerinot

Haben einen harten Stand
Bis unten ins Cravattenland
Sitz ich auf der Sau
Und Herummer schau
Belgrad ist schon da

Kommen wir in Köln hinein
Da wird unser Bleibens nicht sein
Da wollen wir quittiern
Laßt uns nm marschiern
Nach Frankfurt zu

Kommen wir nach Frankfurt hin
Wo viele deutsche Brüder sind
Da habn wir allzeit
Unsere größte Freud
Da gefiel mirs wohl

Mannheim die schöne Stadt
Die schöne grade Straßen hat
Wolln wir nun besehn
Und nach Straßburg gehn
Dahin steht mein Sinn.

Straßburg müssen wir ehren
Habn Arbeit, wie wirs begehren
Französische Arbeit ist recht
Doch die Bezahlung ist schlecht
Da müssen wir fort!

München im Bayerland
Schöne Arbeit ist bekannt
Tische zu fournieren
Schöne Mädchen zu poussieren
Das ist meine Freud.

Nun adje, du Heidelberg
Bist eine rechte Staatsherberg
Ist ganz still
Wenn man will
Singen da die ganze Nacht.

Heidelberg, du werte Stadt
Wenn es ausgeregnet hat!
Mit dem Parapleh
Geh ich nach dem See
Wenn ich komm vom großen Faß.

Nun Hab ich bereits Alles erzählt
Wies in der Welt hergehen tut gemeldt
Wies im Mond mag stehn
Hab ich nicht gesehn
Denn ich versteh mich nicht auf Sternkuckerei.

Wenn wir Alles gerichtet aus.
Alsdann gehn wir wieder still nach Haus
Und denken an die Zeit
Die uns hat erfreut:
Nun gehn wir fort!

Nun ihr Brüder, lebet wohl
Lebet aller Freuden voll!
Tut noch eins Bescheid
Auf die letzte Freud,
Die wir haben hier!

Text und Musik: Verfasser unbekannt
in Deutscher Liederhort III (1894, Nr. 1609. „Geographie der Handwerksburschen“, Melodie aus der Gegend von Frankfurt a. M.) – Bemerkenswert – weil äußerst selten – die antisemitische Prager Strophe.

Böhme schreibt im Liederhort (1894, S. 430): „Einige garstige, manche Stadt beleidigende Strophen mussten fortbleiben.“ Die judenfeindliche Strophe nimmt er als „normal“? Leider erwähnt er die genaue Quelle insbesondere dieser Zeilen nicht. Er schreibt weiter:

„Eins von den Handwerksburschenliedern, das in ungezählten Lesarten kursiert, denn es wurden immer neue Strophen dazu gemacht und vorhandene versetzt. Auch in Kommersbüchern ists aufgenommen und mit studentischen Witzen versehen worden. Der Versbau ist knotig, doch der Textinhalt nicht ohne Humor.

Text und Melodie bei Erk II. 2, Nr. 49 und Kretzschmer I. Nr. 239. Ditfurth 2, Nr. 297. Text bei Simrock Nr. 247 und Wunderhorn. II. 404 (a. A. 383) überall abweichend. „

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Liederzeit: vor 1810 : Zeitraum:
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