Hans Heiri auf der Eisenbahn (Anekdote)

Der Bauer auf der Eisenbahn

An einem nebeligen Februarabend saß im Gasthof zum Storchen in Zürich ein gutmütiger Außerämtler, der sich seinen Schoppen wohl schmecken ließ. Er erzählte, dass er Geschäfte in Baden zu verrichten habe und fragte einen Kellner, ob er ihm keine passende Gelegenheit dahin nachweisen könne. Nichts leichter als das, sagte der Kellner: „Ihr könnt auf der Eisenbahn sehr schnell dahin gelangen“.

„Ist es aber auch sicher auf der Eisenbahn“, fragte der Bauer. „Auf der Eisenbahn fährt man sicherer als mit dem Eilwagen und von hier bis nach Baden kostet es nur 6 Bp, wofür man es sich in dem Wagen so bequem machen kann wie hier im Zimmer“. Mit dieser Empfehlung war unser Bauer zufrieden, ließ sich ausführlich den Bahnhof beschreiben und machte sich dann auf den Weg.

Um ja recht sicher zu gehen, fragte er einen, ihm auf der Straße Begegnenden: „Loset wo ist der Bahnhof? „Wenn Ihr mir 4 Sz gebt, dann will ich Euch hin führen.“ „Du unverschämter Lümmel“, entgegnete unser ehrlicher Außerämtler und ging weiter. Da dreht sich der Fremde plötzlich um, geht dem Bauer nach und sagt zu ihm: „Es war nur ein bloßer Spaß von mir, kommt, ich will Euch den Bahnhof zeigen.“

Der Arglose folgte dem Fremden, der ihn gerades Weges zum nahegelegenen Theater bis zur Kasse führt und ihn dann mit den Worten verlässt: Hier ist der Bahnhof, wo Ihr Euer Billet zu lösen habt.“ Unser Freund sieht das Gebäude an und findet, das der Bahnhof gerade so beschaffen ist, wie ihn der Kellner im Gasthof beschrieb. Nun fasst er sich ein Herz, geht an die Kasse und verlangt ohne weiteres ein Billet auf den Platz, wo mau sitzt wie in einer Stube-

Der Kassier gibt ihm ein Billet auf’s Parterre, unser Freund wird dorthin zurecht gewiesen und ist erstaunt über die vielen daselbst befindlichen Passagiere und geblendet von dem Glanz der vielen Lampen. Auf eine solche Weise hatte er sich allerdings doch nicht den Eisenbahnwagen vorgestellt. Nach und nach kamen immer mehr Menschen, bis das ganze Haus gefüllt war. Es wurde „Don Juan“ gegeben. Unser Bauer sah nach seiner Uhr, die sechs zeigte, und um diesr Zeit sollte der Eisenbahnzug nach Baden gehen. Auf die Minute wurde geklingelt.

„Aha!“, dachte er,“ jetzt geht der Zug ab, denn der Kellner hatte ihm alles ganz genau detaillieren müssen. Das Orchester spielte jetzt die Ouvertüre, der Vorhang flog auf, und der Außerämtler konnte sich nicht genug darüber verwundern, das auf der Eisenbahn auch Musik und Komödie gespielt werde. So oft der Vorhang fiel, glaubte der ehrliche Bauer man sei jetzt an einer Zwischenstation angelangt, und obgleich bereits die Fahrt 3 Stunden dauerte, während ihm doch der Kellner gesagt, schon nach einer halben Stunde werde er in Baden sein, schöpfte er dennoch keinen Argwohn, weil es ihm sehr gut gefiel, hätte es selbst noch drei Stunden länger gedauert.

Im Stillen nahm er sich fest vor, das nächste Mal auch sein Weib und seine Tochter mit nach Zürich zu nehmen, damit auch diese eine solche Eisenbahnfahrt machen könnten. Der Vorhang fiel, das Stück war aus. Alles eilte zu den Türen hinaus, unser Bauer wurde von der Menge auf die Straße geschoben, der nun steif und fest glaubte, in Baden zu sein.

Hier stand er aber nun in stockfinstrer Nacht und wußte weder Weg noch Steg. Da faßte er sich ein Herz und fragte einen jungen Stutzer, der neben ihm stand. „Loset säget mer au wo der Gasthof zum wilde Ma ist.“ „Hier ist kein wilder Mann“, antwortete dieser. Da klopft ihm jemand auf die Schulter, er sieht sich um und er blickt zu seiner großen Freude den Wegweiser von heute Abend, der ihm den Bahnhof gezeigt. Ach guter Freund zeigt mir doch den „wilden Mann“.

„Den wilden Mann“, fragt dieser verwundert. „Ihr irrt Euch, denn Ihr seid nicht in Baden.“ „Aber mein Gott, wo bin ich denn hingeraten“, frug ängstlich der Außerämtler. „Hört mich an: Als der Vorhang zum zweiten Male fiel, da hättet Ihr aussteigen sollen, denn damals hielt der Zug in Baden- Ihr bliebt aber sitzen und seid daher wieder nach Zürich zurückgefahren, das ist Alles.“ Unserm Außerämtler blieb nun natürlich nichts weiter übrig, als sich in sein Schicksal zu ergeben und den Storchen wieder aufzusuchen. Ehe er aber diesen fand, schimpfte er noch tüchtig über die Eisenbahn und schwur, nie wieder zu fahren.

in: Der Lustige Thurgauer, 1849

Die gleiche Geschichte steht drei Jahre später in Würzburger Stadt- und Landbote, Allgemeiner Anzeiger für Würzburg und Umgebung. (1852)

„An einem nebligen Februarabend saß im Gasthof zum Hirsch in der Hauptstadt von Schwaben ein gutmütiger Schwarzwälderbauer, der sich seinen Schoppen gut schmecken ließ. Er erzählte, dass er in Ehlingen noch Geschäfte zu verrichten habe, und fragte einen Kellner, ob er ihm keine passende Gelegenheit dahin nachweisen könne. Nichts leichter als das, sagte der Kellner: Ihr könnt auf der Eisenbahn sehr schnell dahin gelangen. Ist es aber auch sicher auf der Eisenbahn und was kostet es, fragte der Bauer  etc…

Siehe dazu auch:

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