Anmerkungen:
Der englische Originaltext ist bis jetzt nicht gefunden, sondern nur die hierstehende deutsche Bearbeitung. Auch eine niederländische Übersetzung: „Soet soet Roboertgen“ ist verloren gegangen. Dagegen vermögen wir die Melodie , die sich einer außerordentlichen Beliebtheit erfreut haben muß, auf ihrer Wanderung von England über Holland nach Deutschland zu verfolgen. In England erscheint sie, wie Chapvell (Popular music of the olden time 1855 — 1859, S. 114 und 770) angibt, in dem sogenannten Virginalbuch der Königin Elisabeth (Hs. in Cambridge Nr. 158, wohl erst nach 1620 entstanden); dort ist sie von dem berühmten William Bird (1538— 1623) gesetzt. In den Virginalbüchern der Lady Neville 1591 Bl. 46b und des William Förster 1624 Nr. 6 und in Thomas Robinson’s school of music 1693 führt sie den Titel „Lord Willobies wellcome home“, weil nach ihr auch eine Ballade auf Peregrine Berti Lord Willoughby of Eresby (gestorben 1691) gesungen wurde, der 1587 nach der Abberufung Leicester’s den Oberbefehl über die in Holland gegen die Spanier fechtenden englischen Truppen übernahm. Diese Ballade von 1204 steht bei Percy, Reliques vol. II, 2, 19 und The Rocksburghe Ballads 4,8.
Aus Holland bringt Dr. Land (Tijdschr. voor Nord Nederl. Musiekgesch. I 223) vier verschiedene Aufzeichnungen der hier nur als Soet Robbertken bezeichneten Melodie, und zwar aus Thysius Lautenbuch. (um 1600), aus Peter Leenaerts van der Goes druyven-Tros der amourensheyt 1602, S. 102, aus Adrian Valerius, Nederlandtsch Gedenckclanck 1623, S. 695, und aus dem Paradijs der geesteliken en kerkeliken lofsangen 7. Aufl. 1670 S. 695. — Angeführt wird sie auch in Wouter Verhees‘ Liederhandschrift S. 219 zu: “ Een nieu liedeken op die voys von Soet Robbergen ; Door liefden reijn verwonnen ick blijuen moet (6. Str.).
Zuerst Willoughby-Lied oder Singspiel Roland?
Hat nun diese Melodie ursprünglich dem Willoughby-Liede oder dem Singspiel Roland angehört? Diese Frage läßt sich aus vorliegendem Material nicht mit ausreichender Sicherheit beantworten.
Wäre letzteres der Fall, so bliebe auffallend, daß die Melodie gerade in England nur einmal und ziemlich spät unter dem Namen Rowland auftaucht. Es ist aber wohl denkbar, daß die englischen Schauspieler, welche Leicester’s Gunst genossen und von ihm 1586 an den König Friedrich II. von Dänemark empfohlen wurden (s. J. Bolte, Jahrbuch der deutschen Shakespeare Gesellschaft, 23), auch seinem Nachfolger in den Niederlanden ihre Ergebenheit beweisen wollten und auf die Melodie eines zu seinem Ruhm gedichteten, allgemein beliebten Liedes jenes Possenspiel reimten, welches dann in der Fremde so außerordentlichen Beifall fand.
Endlich ist zu berücksichtigen, dass das Vorhandensein der Willoughby-Ballade schon für 1591 durch Lady Nivelle’s Virginalbuch bezeugt wird, während das Possenspiel zum ersten Male 1596 in einer gereimten Beschreibung der Frankfurter Messe von Marz Mangold als etwas ganz Neues genannt wird:
Einer sang: O Nachbawr Roland,
Ein Lied, kommen aus Engelland.
Bis auf weiteres hätten wir also anzunehmen, dass die Melodie des Rolandliedes älter ist als sein Text.
Diese Nachrichten verdanke ich Dr. Bolte’s Aufsatz im Jahrbuch für niederdeutsche Sprachforschung 13, S. 64. der auch dort als Musikbeilage 22 die Rolands-Melodie aus Fabricius‚ Lautenbuch und die bei Chappell mitgeteilt hat. Im Altd. Ldb. Nr. 85 habe ich bloß den Text gegeben, die Weise war durch ein Versehen weggeblieben.
Den englischen Originaltext zu der Melodie Rowland glaubte Chappell, der vom deutschen Lied nichts wusste, auf einem fl. Blatt um 1600 — 1625 zu erkennen. Dieser auch bei Bolte a. a. O. abgedruckte englische Text in zwei Teilen hat aber mit dem Rolands-Spiel nichts gemein. Der Anfang dort heißt:
John: Now welcome Neighbour Rowland
from London welcome home …
Der Rolandston wird mehrfach zu Singspielen von J. Ayrer (1598— 1618) angeführt: „In dess Rolands Ton“ — „Wie man den Englischen (Engländischen) Roland singt“ (s. Goedeke. Grundr. 415). Auch für geistliche Dichtungen finden wir den Rolandston vorgeschrieben. Im Hamburger Gesangbüchlein 1612, S. 32 ist ein Christliches Klag- und Trostlied überschrieben: „Im Ton: O Roland lieber Roland.“ Anfang nach Wackernagel III, 1016:
Ach Gott, wem soll ichs klagen
das herzlich leiden mein?
Mein Herz will mir verzagen
dass ich so elend bin
Vor Zeiten schien mir die Sonne
itzt mag es nit gesein
Elend hat Freud verdrungcn
der Unfall ist worden mein.
Wiederholt ist dies Klaglied im Coburger Gesangbüchlein 1621, S. 75 mit der Tonangabe : O Rolandt, lieber Roland. — Derselbe geistliche Text steht schon 1582 im Greifswalder Gesangbuch S. 328 hat aber zur Überschrift: Im Ton, Ich dank dir lieber Herre. —
Zu historischen Liedern diente der Rolandston. So zu einem Gedicht auf die Hansa um 1600, von Joh. Domann: „Im Ton des Ruland oder wie es eimb besser gefällt.“ Anfang nach Gödeke, § 174, Nr. 19:
Wolan last uns eins fingen.
Ein Liedt und news Gedicht.
Ein Lied auf die Braunschweiger Fehde 1606 ist überschrieben; „Im Thon Rolandt lieber Rolandt oder Mit lust vor wenig Tagen ein Jäger kam in Sinn.“ Anfang:
Mit lust vor wenig Tagen
Ein Krieger kam in Sinn,
(Cod. hist. 198 der Göttinger Univ. Bibl.)
Ein Abschiedslied auf einem Druck zu Anfang des 17. Jahrhunderts (jetzt im Britt. Museum zu London) ist betitelt: Ein gar newes und schönes Lied, Einer Bayrischen Jungfrawen von Adel zu Ehren gemacht. Im ton: Warumb wiltu wegziehn, Mein Schatz :c. Oder Ins Rulands Thon:
Jungfrau, es ist mir leide
wann ich gedenck der zeit,
daß ich muß von euch scheiden
vnd habt mich nie erfrewt.
Wie muh ich, hertzigs lieb,
die fach jetzund greinen an?
sagt mirs, ich stirb vor kummer,
ach lieb, ich muß darvon.
W. Grimm in seiner Ausgabe des Rolandsliedes (1838) kannte von unserem neueren Rolandlied bloß die Anfangsworte aus der Tonangabe im Coburger Gesangbuch 1621. vergl. J. Bolte, Über die große Verbreitung des englischen Rolandstones seiner Zeit in Korrespondenzbl. f, niederd, Sprachf. IV Bd. S. 38 und dessen Aufsatz im Jahrb. des Vereins f. niederd. Sprachf. 1887. XU, S. 64—68.
Den deutschen Text findet man abgedruckt hier und im Altd. Liederbuch Nr. 85 nach Hainhofer’s Lautenbuch 1603. Auch bei A. Keller: Fastnachtspiele des 15. Jahrhunderts II, 1021 und im Niederdeutschen Liederbuch 1883, Nr. 148. Ferner finden sich auf zwei fliegenden Blättern. der K. Bibl. in Berlin yc 726 und 731, das eine von 1599 o. O. , das andere o. J. Magdeburgs. Weiter stehts in einer um 1600 — 1603 zu Jausen in Tirol entstandenen Liederhandschrift, eine Abschrift in K. T. Heintze’s Volksliedcrsammlung, Hs. der Univ. Bibl. in Bonn S. 504.
Der Ton (Rolandston) wird weiter angeführt in dem bei Lantzenberger in Nürnberg 1609 erschienenen Liederbüchlein Nr. 68 (vergl. Weller, Annale« I, 268, Nr. 396 und 409), in einem Druck 1627 s. Birlinger’s Alemannia 16, 84 und in von Ditfurth’s Liedern des 30jährigen Krieges S. 152.