Wir wollen ein Liedel heben an (Der sächsische Prinzenraub)

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Wir wollen ein Liedel heben an
was sich hat angespunnen
wie’s in demPleißnerland gar schlecht war bestallt
als sein jungen Fürst´n geschah Gewalt
durch den Kunzen von Kaufungen

Der Adler hat auf den Fels gebaut
ein schönes Nest mit Jungen
Und wie er einst ware geflogen aus
holete ein Geier die jungen Vogel raus
drauf war´s Nest leer gefungen

Wo der Geier auf dem Dache sitzt
da trugen die Küchlein selten
Es war mein Werle ein Narrenspiel
welcher Fürst sein Räten getraut zu viel
muß oft der Herr selbst entgelten

Altenburg, du bist zwar eine feine Stadt
Dich tät er mit Untreu meinen
Da in dir war´n all Hofleut rauschend voll
kam Kunze mit Leitern und Buben toll
und holte die Fürsten so kleine

Was blast dich, Kunz, für Unlust an
da du ins Schloß ´nein steigest
und stiehlst die zarten Herren raus
als der Kurfürst eben war nit zu Haus
die zarten Fürstenzweige

Es war wohl als ein Wunderding
wie sich das Land beweget
was da auf allen Straßen war´n für Leut
die den Raubern nachfolgeten in Zeit
alls wibbelt, kribbelt, sich bereget

Im Walde dort ward Kunz ertappt
da wollt er Beeren naschen
Wär er in der Hast faken fortgeritten
daß ihm die Köhler nit geleppischt hätten
hätt er sie kunnt verpaschen

Aber sie wurden ihm wieder abgejagt
Und Kunz mit seinen Gesellen
Auf Grünhain, in unsers Herrn Abts Gewalt
Gebracht und darnach auf Zwika gestallt
Und muste sich lan prellen

Darvor fiel ab gar mancher Kopf
Und keiner der Gefangen
Kam aus der Haft ganzbeinicht davon
Schwert, Rad, Zangen und Strick, die warn ihr Lohn
Man sah die Rümper hangen

So gehts, wer wider die Obrigkeit
sich unbesonnen empöret
Wer es nicht meint, der schau an Kunzen
sein Kopf tut zu Freiberg noch heraußer schmunzen
und jedermann davon lehret

Gott tu den frommen Kurfürsten alls Guts
und laß die jungen Herren,
in keine Feindeshand mehr also kommen
geb auch der Frau Kurfürstin viel Frommen
daß sie sich in Ruhe ernähren

Text: Verfasser unbekannt

Der Ritter Kunz von Kaufungen glaubte, durch Geiselnahme der beiden Söhne des Kurfürsten Friedrich des Sanftmütigen Forderungen für geleistete Kriegsdienste durchsetzen zu können. Am 14. Juli 1455 wurde Kunz in Freiberg enthauptet. Über die Umstände der Rettung der Entführten teilte das Lied nur eine der vielen (nicht belegten) Versionen mit.

in: Deutscher Liederhort II (1893, Nr. 239 „Kunz von Kaufungen oder der sächsische Prinzenraub“)
vergleiche auch das in etwa zeitgleiche Lied vom Thüringischen Erbfolgekrieg (gleiche 3. Strophe)

Liederthema:
Liederzeit: vor 1455 : Zeitraum:
Schlagwort:
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Anmerkungen zu "Wir wollen ein Liedel heben an (Der sächsische Prinzenraub)"

Anmerkungen zum Text:

  • 1, 5 Kunz war fürstlicher Koch und wurde beim Raube selbst vom Hofmeister unterstützt. Mit seinem Raube eilte er zu seinen Nachreitern, die mit 36 Pferden nahe dem Schloß seiner harreten
  • 2, 1 Das Altenburger Schloß liegt auf einem gegen die Stadt zum Teil steil abfallenden Felsen
  • 3, 2 trugen, für trüben, getruhen (in Thüringen und Schwaben) = gedeihen, wachsen; auch trujen, ahd. trowjan.
  • 3, 3 mein werle! = ein Ausruf entstanden aus „mein ich warlich !
  • 4, 2 meinen, beabsichtigen : auf dich hat er es mit Untreu abgesehen
  • 5, 3 zarte Herren heißen die entführten Prinzen mit Recht: Albrecht (der Beherzte, Stifter der albertinischen Linie) war nicht 12 Jahr alt. Ernst. Stifter der ernestinischen Linie, war kaum 14 Jahre
  • 5, 4 Der Kurfürst war mit seinen meisten Hofleuten in Leipzig und wohnte dort im Hause des Kanzlers einem Verlobungsfeste bei
  • 6, S Alles bewegte sich wie ein Haufen Ameisen und Würmer
  • 7, 3 sacken, ohne Aufhören (Niederd. soken, oft)
  • 7, 1 gelappischt (von läppischen) = betört, überlistet
  • 7, 5 verpaschen, in Sicherheit bringen, über die Grenze schaffen
  • 8, 1 Sie wurden ihm abgejagt: eigentlich nur Albert; Ernst wurde auf einem andern Wege entführt, nach 3 Tagen unter Hunger und Durst in einer Steinritze (1 Stunde von Hartenstein) versteckt und endlich von einem kurfürstlichen Vasallen abgeliefert
  • 8, 3 In Grünehain im Erzgebirge an der böhmischen Grenze steht seit 1822 ein Denkmal, der Fürstenbrunnen, aus welchem Prinz Albert durch den Köhler Schmidt einen Labetrunk erhalten haben soll.
  • 8, 4 Zwicka = Zwickau
  • 8. 5 prellen, quälen, wie in einer grausamen Jagdbelustigung die Füchse von einem ausgespannten Tuche in die Höhe geworfen und wieder aufgefangen werden
  • 9, 1 Dar vor, dafür, als Strafe für diesen Raub
  • 9, 2 Gefangenen.
  • 9, 2 Rümper, Rümpfe.
  • 10, 4 schmunzen, mit zusammengezogenen Lippen lächeln (ironisch)  Zu Freiberg am Rathhaus ist der Kopf in Stein gehauen zu sehen. Dort im Rathaus werden auch Teile der von ihm gebrauchten Strickleiter aufbewahrt
  • 11, 5 ernähren, erhalten.

"Wir wollen ein Liedel heben an (Der sächsische Prinzenraub)" in diesen Liederbüchern

Das Lied ist zuerst mitgeteilt von Joh. Vulpius in Plagium Kauffungense, Weissenfels 1704, Bl., F. 3. Wiederholt ist die Schrift in Triller’s Buch, Sächsischer Prinzenraub, Frankf, a. M. 1743 und das Lied S. 233 angefügt. Auch bei Tenzel. Curiose Bibliothek, 1705, S. 783 steht der Text aus Vulpius. Nach dieser ältesten Quelle bei Wolff, hist. VL., 655; Erlach 2, 271; v. Liliencron, hist. VL., Nr. 104. Darnach hier. —

Herder (Volkslieder. I. 284) gibt das Lied etwas modernisiert. Wieder modernisiert im Wunderhorn I, 296 (a. A. III, 234). Goethe bemerkt: „Nicht gerade zu schelten, aber auch nicht befriedigend“. Dieser „Berg-Reihen“ ist wohl noch zu Lebzeiten Friedrichs des Gütigen gedichtet und, wie der Nachklang zu Ende jeder Strophe bezeugt, wirklich gesungen worden. Die Melodie ist nicht gefunden. —

J. Vulpius sagt: er habe das Lied von einem alten Bergmann erhalten, jedoch ohne Melodie. Somit scheint er nur eine Handschrift des Liedes erhalten zu haben und meint damit wohl die Handschriftl. Chronik von Erasmus Stella, (gestorben 1521), in welcher nach einer Randbemerkung des Vulpius das Lied so, wie er es gibt, enthalten war. — Peter Albinus, Meißn. Berg- und Landchronik, Dresden 1590, bemerkt S. 273, dass er gehört habe, es werde noch ein altes Lied auf den Prinzenraub gesungen, doch habe er dasselbe nicht auftreiben können. (Notizen v. Liliencron I, S. 484. Dort Ausführliches über die Geschichte.

Liliencron , Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13- bis 16. Jahrhundert — Die tote Braut (1977) —