Nun höret an ihr Christenleut (Der ewige Jud)

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Nun höret an ihr Christenleut
bei dieser höchst betrübten Zeit
ein Wunderwerk tu ich euch kund
Merket auf mit Fleiss zu dieser Stund

Was sich vor achtzehnhundert Jahr
Achtzig und zwei, und das ist wahr
hat zugetragen zu Jerusalem
von einem Juden so gar verblend´t

Herr Jesus Christus, Gottessohn
sollt auf den Berg Calvariae gehn
sollt leiden für das menschlich Geschlecht
er wird von einem Jud geschmäht

Ein schweres Kreuz er auf sich nahm
so das unschuldig Gottestamm
vor eines Juden Haus es kam
mit seinem Kreuz dort niedersank

Der Jud kommt aus seim Haus geschwind
hat auf seim Arm ein kleines Kind
Ahasverus wird er genannt
ein Schuhmacher von seiner Hand

Der stösst ihm auf sein Rücken dar
auf seinen Leib und Füss sogar
da heisst er seinen wahren Gott
hingehn an einen andren Ort

Herr Jesus ganz demütiglich
Mit süssen Worten zu ihm spricht
„Wo ich hingeh, ruh ich alsdann
aber du sollst niemals kein Rast mehr han“

Er nimmt alsbald nach selbigem End
den Stab geschwind in seine Händ
verlässt sein Weib und Kinder in Schand
muss wandern gehn durch alle Land

Als er nun vierzehn hundert Jahr
in der Welt herumgewandert war
und wie er wieder zu Jerusalem kehrt
dort fand er alles gar sehr verstört

Dort fand er nichts mehr als ´s heil´ge Grab
wo Christus in gelegen hat
Darbei ruht er ein einzig Nacht
alsbald er sich wieder von dannen macht

Jetzt muss er wiedrum reisen fort
nach Christum unseres Herren Wort
so manche Tag und manche Nacht
mit Seufzen, Weinen und grosser Plag

Seine Bein, die waren ihm also dick
Gleichwie zwei Männer so ungeschickt
Dass sich verwundern all, die Ihn sehn
von allem seinem Gehn und Stehn

Zuletzt man Ihn gesehen hat
zu Würzburg in derselbigen Stadt
zu Augsburg und im Frankenland
zu Ardenn und in ganz Brabant

Und wenn er einen Menschen hört
Der bei dem Leiden Christi schwört
Den lasst er ungestrafet nicht
Mit solchen Wort er zu ihm spricht

„O Mensch, steh ab von deiner Sünd
Wann du willst werden ein Gotteskind!
Hätt´st du gesehn ein solches wie ich
Gewisslich tätst du bekehren dich

Und die Menschen ermahnt er all so schön
Sie sollten ab von Sünden stehn.
Ein Engel bei ihm gewesen war
Der tröstet ihn als immerdar

„Christus wird kommen in die Welt
Und er wird machen der Welt ein End
Und hat der Mensch viel Guts getan
ein jeder empfängt nach Werken sein Lohn“
Amen

Text und Musik: anonym – das Lied stammt laut Pinck ( Anmerkungen Band II in Verklingende Weisen , Volkslieder aus Lothringen ; S: 328) mindestens von 1838, ein Beispiel wie der Judenhass über Jahrtausende im christlichen Glauben genährt und weitergegeben wurde. Der „Jude“ hier als ewiger Wanderer, der Christus Leid zugefügt hat und dafür fast zweitausend Jahre büßen muß. Eventuell stammt das Lied ursprünglich von einem Fliegenden Blatt , es wurde aber offensichtlich mündlich weitergegeben, wie die verschiedenen von Pinck erwähnten Fassungen bezeugen. Pinck druckt das Lied im 2. Band ab, Nr. 16

Pinck schreibt in den Anmerkungen: „Vorgesungen von Papa Gerné , der das Lied schon mit sieben Jahren von seiner Mutter gelernt hatte. Melodie aufgenommen von Cl. Weber am 30. 2. 1917. Bezeichnend ist, daß das Lied in Deutschlothringen den ewigen Juden am Rhein auftreten lässt, während ein ähnliches Lied , wie es französischen Sprachgebiet, z.B. in Azoudange (Kr. Saarburg ) gesungen wird, den “ Juif erant“ in Paris sieht:
„Dans Paris la grande ville / des bourgeois en passant / dúne humeur fort  docile /  L´accostérent un moment“

Die Bickel-Kättel (1813-1917) sang: „Im Ungarland in Grosswardein / was neues da geschehen sein / von einem Jud, der war verbannt / in Asia , in alle Land“ Frau M. Becker ( geb. 1855 , Freibuss ) singt: „Jesus Christus, Gottes Sohn / will auf den Berg Kalvarie gehn / um das zu leiden für das menschliche Geschlecht / von einem Jud wird er ganz verschmäht“