Ich liebte nur Ismenen
Ismene liebte mich
mit unverfälschten Tränen
getreu verließ ich dich
noch fühl ich gleiche Triebe
und du stiehlst mein Gesicht
Beweg ihr Herz o Liebe
nur straf Ismenen nicht
Wie oft hast du geschworen
du liebtest mich allein
sonst sollt dein Reiz verloren
dein Antlitz schrecklich sein
aus Liebe zu Narzissen
vergißt du Schwur und Pflicht
O rühre sein Gewissen
nur straf Ismenen nicht
Dort unter jener Buchen
gabst du mir Strauß und Band.
Da kamst du, mich zu suchen
und gabst mir deine Hand;
da gabst du mit Erröten
den Ring, den Untreu‘ bricht,
Gedanken, die mich töten,
nur straft Ismenen nicht!
Dort unter jener Linde
grubst du mit Händen ein:
Wer untreu wird, der finde
hier seinen Leichenstein!
Schont, Götter, schont Ismenen,
die selbst ihr Urteil spricht.
Mein Grab soll euch versöhnen,
nur straft Ismenen nicht
Text und Musik aus einem geschriebenen Liederheft um 1805. Unmittelbar darauf folgt nach derselben Melodie (mit geringer Abweichung) die „Antwort“ auf dieses Lied. — Das Lied mag aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammen und erhielt sich lange. Verfasser unbekannt. Goethe stellte es in einem Brief an Herder (1771) als Modelied den echten Volksliedern gegenüber.
„Ich habe -— schreibt er — aus Elsass zwölf Lieder mitgebracht, die ich auf meinen Streifereien aus den Kehlen der ältesten Mütterchen aufgezeichnet habe. Ein Glück! Denn ihre Enkel singen alle: „Ich liebte nur Ismenen“ Auch Forkel (Musikgesch. II. 773) erwähnt es als ein damals (t800) totgesungenes Lied. —
Aus einer handschriftlichen Liedersammlung der Frau von Holleben ließ Hoffmann von Fallersleben den Text im Weimarer Jahrbuch II 190-191 abdrucken. Er ist nur in einzelnen Worten anders als der hier, den ich mit Musik in Erk’s handschriftlichem Nachlass fand.
Wieder aus anderer Quelle gibt Dr. Wustmann („Als der Großvater die Großmutter nahm, 2. Aufl. Leipzig 1887, S. 25) den Text. Er fand ihn zuerst in der von J. Matth. Dreyer herausgegebenen Zeitschrift: Beitrag zum Nachtische für muntre und ernsthafte Gesellschaften, 20. Stück, Hamburg. 13. Sept. 1766 S. 158—159. Ramler hat ihn etwas verändert in seine „Lyrische Blumenlese“ Bd. II, Leipzig 1774, S. 97 aufgenommen.
An Ramler schreibt Dyk in einem Briefe vom 30. Dez. 1774: „Der Verfasser ist ein Graf v. Schlüwen (Schlieben). Ismene ist seine Gattin, die ihm, um des Herzogs von Braunschweig willen, untreu war. Mich dünkt, das Lied gewinnt sehr viel durch diese Anekdote. Nach einer späteren Ausgabe Dyks (8. Februar 1771) wäre Graf Putbus in Weimar der Verfasser gewesen. (Vergl. Schüddekopf, K. Wilh. Raniler [Leipziger Dissertation 1886]. S. 79.) — Es gab auch ein Gegenstück dazu, das Ismene singt.
(Angaben nach Böhme: Volkstümliche Lieder, 1895, S. 275)
Vergleiche auch:
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Ismene hatte noch bei vielen andern Gaben (Die… Ismene hatte noch, bei vielen andern Gaben Auch diese, daß sie widersprach. Man sagt es überhaupt den guten Weibern nach, Daß alle diese Tugend haben;…