Gleich wie ich meine Lust und Freud allzeit an Vögeln hab

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Gleich wie ich meine Lust und Freud
Allzeit an Vögeln habe,
So geh ich nach Gelegenheit, —
Wann ich kan kommen abe,
Wann mir die Zeit sonst war zu lang, —
Ein wenig auf den Vogelfang.

Dahin pfleg ich auch insgemein
Ein Mädgen mit zu führen
Die zwar einfältig scheint zu seyn,
Kan aber gut vexiren;
Kein Vogelsteller ist so nicht
Wie sie zum Vögeln abgericht.

Sie geht und stellt das Netzgen auf
Und lauret im Gebüsche
Sie giebet fleißig Achtung drauff,
Ob sie etwas erwische
Und kömmt alsdenn ein Vögelein,
So muß es alsbald drinne seyn

Sie kan ihn übern Kopff geschwind
Das Netz zusammen ziehen
Der Vogel aber stöst gantz blind
Ins Netz, hindurch zu fliehen
Und wann er flattert hin und her
Verwickelt er sich immer mehr.

Und ich weiß nicht, wie es ihr glückt,
Daß, wann es ihr beliebet
Sie nicht einmal vergebens rückt,
So wohl ist sie geübet;
Sie hat sich auch schon ziemlich lang
Geleget auf den Vogelfang.

Weil sie selbst einen Vogelheerd
Hat bey der fleischern Weyde,
Dahin, weil mirs nicht war verwehrt,
Hatt ich offt meine Freude;
Sonst wars ein feiner Vogelheerd,
Jetzt aber ist er nicht viel werth.

Sie sietzen jetzt gar sparsam auff,
Sie kan sie nicht recht ätzen
Kommt gleich einmal ein Gümpel drauff,
Er ist nicht hoch zu schätzen,
Gar selten, daß ein Ziemer fällt,
Die man für gute Vögel hält.

Allein der Seidenschwantz befind
Sich da in großer Menge,
Was aber andre Vogel sind,
Seynd da nicht gar zu gänge
Den Seidenschwantz den nahm sie aus,
Da löst sie manchen Thaler draus.

In dem sie sich am Netz ergötzt
Sah ich nach der Leimspille
Ob etwan sich was ausgesetzt,
Ich gieng fein sanfft und stille,
Da ich nun also sah fcinan,
Dacht ich, es war ein Drustel dran.

Allein, wie ich recht nahe kam,
Es ansah und fein leise
Herab und in die Hände nahm,
Wars eine Pumpelmeise
Da fieng sie an und mauste sich,
Das war mir wohl recht lächerlich.

Die Spille blieb an ihren Ort
Ich aber gieng fein sachte
Mit ihr und ihrer Meise fort
Weil es  sich dunckel machte
Und mir die Zeit schon ziemlich lang
Gelegen auf den Vogelfang.

Text und Musik: Verfasser unbekannt
in: Bergliederbüchlein ca. 1700/10, S 23ö ff., Nr. 197. – Vgl. Kopp, S. 142, Nr. 197
in Schamperlieder

Anmerkungen: Vogeln = Vogelfang, fleischern Weide =  Vulva, ätzen = nähren,  ;  Ziemer = Krammetsvogel, Seidenschantz = Penis, zu gänge =  häufig, Leimspille = Leimspindel, Drustel = Drossel, Pumpelmeise = Vulva

Ähnlich wie in der Vogelhochzeit wird in diesem Lied aus dem 17. Jahrhundert das „Vögeln“ als Wort für Sex verwendet, die einzelnen Vögel, wie zB der Seidenschwanz für Geschlechtsorgane.

Liederthema: ,
Liederzeit: vor 1710 : Zeitraum:
Geschichte dieses Liedes:

Zur Geschichte dieses Liedes:

Parodien, Versionen und Variationen:

Hochdeutsche Übersetzung von „Katü mês Ninak bayt?”, das Pastor Christian Hennig von Jessen (1649–1719) im Lüneburger Land in Text und Melodie aufgezeichnete und in den Anhang seines 1705 im Manuskript fertiggestellten Wendischen Wörterbuchs aufnahm.

Das Lied steht heute in vielen Liederbüchern als „Ein Vogel wollte Hochzeit machen“. Aber wie bitte will „ein“ Vogel allein Hochzeit machen? Es heiratet doch ein „Hochzeitspaar“! Oder will der andere Vogel gar nicht? In älteren Fassungen heißt es „Die Vögel wollten Hochzeit halten„.

Das Lied von der Vogelhochzeit scheint – zumindest in Danzig – auch auf die Melodie von „Pumpernickels Hänsle“ gesungen worden zu sein.