Der Mai tritt rein mit Freuden

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Der Mai tritt rein mit Freuden

Der Mai tritt ‚rein mit Freuden
hin fährt der Winter kalt
Die Blümlein auf der Heiden
blühen gar mannigfalt

Ein edles Röslein zarte
von roter Farbe schön
Blüht in meins Herzens Garte
Für all Blümlen ichs krön

Es ist der Wohlgemute
Des schönen Röslein rot
Erfrischt mir Sinn und Mute
Errett‘ aus aller Not

Es ist mein Ehrenpreise
Darzu mein Augentrost
Gemacht mit allem Fleiße
Vom Tod hats mich erlost

Mein Herze wird erquicket
von Angst, Kummer und Pein
Wenn mich freundlich anblicket
Das rote Röslein mein

Für Silber und rot Golde
Für Perlen und Edelgestein
Bin ich dem Röslein holde
Nichts Liebers mag mir sein.

Der Edelstein Karbunkel
Mag ihm geleichen nicht
Wiewohl er leucht im Dunkel
Ruhin gen ihm erblicht

Ach Röslein, bis mein Wegewart!
Freundlichen ich dich bitt
Mein Holderstock zu aller Fahrt
Darzu Vergißmeinnicht!

Text und Musik: Verfasser unbekannt
in Deutscherr Liederhort II (1893, Nr. 381)

Liederthema: ,
Liederzeit: vor 1545 : Zeitraum:

Zweite Melodie zu "Der Mai tritt rein mit Freuden"

Zweite Melodie zu Der Mai tritt rein mit Freuden
Neuere Melodie bei Kretzschmer, daher auch bei Silcher

Anmerkungen zu "Der Mai tritt rein mit Freuden"

Worterklärungen:

  • 3, 1 Wohlgemut, Krausemünze, Menthacrispa, ein wohlriechendes Kraut
  • 4, 1 Ehrenpreis, Veronica, eine heilkräftige Pflanze mit blauen Blümchen.
  • 4, 2 Augentrost, Euphrosia, gelbes Blümchen , purpurgesprenkelt.
  • 7, 1 Karbunkel, Karfunkel (vom lateinischen carbunculus, glühende Kohle), ein Hochroter Rubin.
  • 8, I bis, sei.
  • Wegwart, eine an Wegen und in Feldern wachsende Pflanze mit blauen und auch blaßroten Blüten und bitterer, heilkräftiger Wurzel, Cichorienkraut (Cichorium Intybus)
  • 8, 3 Holderstock. Holunderstock, sambucus, hier Kosewort für die Geliebte. So auch bei Geiler, Pred. über’s Narrenschiff: „Ein Buler sucht seinem Holderstock und Gretel zu gefallen.“ — Schwäbisch im Lied von 1634 bei Uhland S. 990: „Ey grüeß di, mein hertziger Holdarstock“ — Pflanzen- und Steinreich werden hier zum Preise der Geliebten aufgeboten und zu Kosenamen verwendet.

Text und Melodie

Rhaw, Bicinia, Vitebergae 1545, I, Nr. 9. Die alte Melodie geben wir in Urform und Vereinfachung. Sonderbar ist darin die Tonalität. Mit dem vorgezeichneten b und Taktwechsel, nur in kleineren Noten gibt sie Erk und tadelt mich, daß ich das b im Altdt. Ldb. 243 weggelassen. Der Vorzeichnung gemäß wäre es die auf g versetzte dorische Tonart, wozu aber die Modulation im Eingange nicht paßt, auch will der Mollschluß zur Mailust sich nicht schicken.

Ohne das störende b tritt die heitere hypojonische Tonart hervor, d. h. unser C-Dur, mit Anfang und Schluß auf der Quinte, wie das im Volksgesange so oft vorkommt. So nehme ich die Singweise, die ich nach A-Dur versetzt und in den Anfangstakten die Notendauer geändert habe, um gleiches Maß durch das ganze Stück zu gewinnen. —

Eine neue, jedenfalls selbst gemachte Singweise zu dem etwas umgearbeiteten alten Texte gibt Zuccalmaglio in Kretzschmer’s VL. 1840 Nr. 262, mit der Angabe: „Mailied vom Niederrhein.“ Diese hübsche Melodie nach Art der Menuette hat Silcher (Heft 11, Nr. 10) gläubig als Volksweise aufgenommen und ist sie durch ihn verbreitet worden, dass ich sie hier nicht vorenthalten mag. (siehe unten) (Böhme in: Deutscher Liederhort II; S. 194)