Hier ruhst du Karl (Lotte auf Karls Grabe)

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Hier ruhst du Karl (Lotte auf Karls Grabe)

Hier ruhst du Karl hier werd ich ruhn
mit dir in einem Grabe
Noch ein mal denk ich da ich nun
bald ausgetrauert habe
des letzten Morgens da du kamst
und freundlich von mir Abschied nahmst

Leb wohl sprachst du leb Lotte wohl
Du wirst mich heut nicht sehen
Die lang verschob ne Reise soll
Nun endlich vor sich gehen
Leb wohl und nimm dir’s nicht so nah
Am Abend bin ich wieder da

Er ging und ich, ich sah ihm nach
So weit mein Auge reichte
Mir klopfte s Herz dies Klopfen ach
Mir schon nichts Gutes brachte
Doch nur ein Tag, so ist er ja
Am Abend bin ich wieder da

So ging ich hin an mein Klavier
Und spielte Klagelieder
Und sang Ach wäre Karl doch hier
Ach käm er doch bald wieder
Doch was ich spielt und was ich sang
Mir diesmal Alles Mißlaut klang

Zu eng ward mir die ganze Welt
Und meine Angst stets größer
Ich auf und fort in’s weite Feld
Da dacht ich wird’s wohl besser
Doch Alles sah mir finster aus
Und Kopfweh bracht ich mit nach Haus

Jetzt fiel mir ein als wenn mirs zu
Geflüstert Jemand hätte
Was machst du töricht Mädchen du
Dann wohl mit Karls Portraite
Um, wenn er selbst nicht bei dir wär
Es anzusehn. Gleich holt ich´s her

Und stellt es an das Plätzchen hin
Wo er zu sitzen pflegte
Wie gleich er war’s so ganz es schien
Als ob es sich bewegte
Da stand er nun der liebe Mann
In Lebensgröß und sah mich an

Der Anblick that so weh und wohl
Ich saß wer weiß wie lange
Bald hatt ich’s Auge thränenvoll
Bald war mir nicht mehr bange
Doch als ich noch so vor ihm saß
Ward stracks das Bild ganz todtenblaß

Ich fuhr zurück Karl ist nicht mehr
Das Bild fiel hin zur Erde
Und nächtlich schwarz wards um mich her
Da gings trab trab wie Pferde
Karls Reitknecht trat ins Zimmer und
Tat seines Herren Tod mir kund

Ich kann seit diesem Augenblick
Nur weinen trauern klagen
Sie haben meine Ruh mein Glück
Mit ihm zu Grab getragen
Des Himmels Blau der Rose Roth
Ist sür mich schwarz und Alles todt

An seinem Arm bei Sternenschein
Durchstrich ich sonst die Gärten
Nun wandl ich weinend und allein
Nur Eulen zu Gefährten
Im Sterne der am hellsten blitzt
Denk ich dann oft ist Karl wohl itzt

Ich streue Ros und Lilien
Weiß wie die Todtenblässe
Hin auf sein Grab und denke wenn
Ich sie mit Tränen nässe
Ihr welkt. Karl auf der Himmelsflur
Pflückt Blumen nimmer welkend nur

Wenn wie michs dünkt, des Abends still
Und dumpf die Glocke läutet
Das, wie der Aberglaube will
Auf eine Leiche deutet
Wünsch ich, hör ich der Glocke zu
Ach wärst doch nur die Leiche du

Wenn meine Hand ein Blümchen bricht
Von jenem Gartenbeete
Worauf er mit Vergißmeinnicht
Einst meinen Namen säte
So sprech ich zu dem Blümchen gleich
Zum Totenkranze spar ich euch

Text: Henriette Ernestine Christiane von Hagen (1782)
Musik: Komponist unbekannt, Mündlich um 1780 aus Schlesien, Sachsen, Brandenburg

Liederthema:
Liederzeit: vor 1780 : Zeitraum:
Schlagwort:
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Anmerkungen zu "Hier ruhst du Karl (Lotte auf Karls Grabe)"

Dieses aus der Werther-Zeit stammende Lied findet sich zuerst abgedruckt auf S 174 – 178 des von Voß und Goetingk herausgegebenen Musenalmanache für 1782, Hamburg , in verbesserter Gestalt kommt es wieder vor auf S 111 – 115 der Gedichte von H. E. Christiane vom Hagen. Auf Kosten der Verfasserin gedruckt bei Joh Georg Struck zu Wernigerode 1784. Hierin steht auch unter der Überschrift der 2 September 1780 als die Zeit der Entstehung des Gedichtes angemerkt.

H. E. Christiane vom Hagen war die Tochter des Domkapitulars v zu Stöckey ohnweit Ellrich in der Grafschaft Hohenstein. Sonst wüßte ich nichts Näheres über ihre Lebensumstände anzuführen. Ein bis zur Stunde noch allgemein gangbares viel gesungenes Lied. (Erk, 1841) Die Dichterin starb in Arolsen 1793.

"Hier ruhst du Karl (Lotte auf Karls Grabe)" in diesen Liederbüchern

in Neuere Sammlung deutscher Volkslieder (1841, I, Nr. 6) —  Als der Großvater die Großmutter nahm (1885) — Musikalischer Hausschatz der Deutschen ()