Es ging ein Knab spazieren (Der tote Freier)

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Es ging ein Knab spazieren (Der tote Freier)

Es ging ein Knab spazieren
wohl am Schlaffenster hin
Herzliebste bist du drinnen
steh auf und laß mich ein

„Ich bin jetzt zwar hierinnen
aber rein laß ich dich nit
ich habs einem Andern versprochen “
„Vielleicht derselbe bin ich

Streck nur aus dein schneeweiß Händlein
ei vielleicht erkennst du mich “
„Mich däucht du schmeckst wie die Erde
ich hab gemeint daß du seist todt“

„Von der Erde kann ichs leicht schmecken
weil ich komm von derselben her
Es ist schon achthalb Jahre
seit ich gestorben bin

Weck nur auf dein Vater und Mutter
weck nur auf all deine Freund
weck nur auf dein Bruder und Schwester
und die Hochzeit ist schon bereit

Tu dich hübsch und schön aufputzen
setz nur auf dein grün Kränzelein
mit rosen Seide gebunden
wolln wir fahrn in Himmel hinein“

Bald das erste Glocklein läutet
macht die Braut das Testament
bald das andre Glöcklein läutet
nahm sie auf ein glückseligs End

Zwei Herzliebste die sind verschieden
verschieden bei der Nacht
und Gott Vater war selbstens der Priester
gabs dieselbgen Brautleut zusammn

Text und Musik: Verfasser unbekannt – mündlich aus der Gegend von Meran in Tirol .
in Deutscher Liederhort (1856, Nr. 24)

Anmerkungen zu "Es ging ein Knab spazieren (Der tote Freier)"

Abweichungen im Text:

  • 3.: Schmeckst, riechst —
  • 7. Bald, sobald

Eine weitere Fassung, durch Hoffmann von Fallersleben mitgeteilt, aus der Gegend von Neiße in Schlesien. Eine dritte Fassung aus der Schweiz, kuhländisch.  (auch im Liederhort)

Zweite Fassung: mündlich aus der Gegend von Neiße in Schlesien :

Es ging ein Knab spazieren, spazieren bei der Nacht
er ging unter Feinslieb Fenster : Ei schläfst du oder wachst
Ich schlafe nicht , ich wache , ich aber erkenne dich nicht
Steh auf und komm zum Fenster vielleicht erkennst du mich
Sie stand auf und ging zum Fenster , sie aber erkannt ihn nicht
Du riechst mir so nach Erde oder bist du selber der Tod
Riech ich dir so nach Erde,  ich liege schon längst darin
ist heute schon acht Jahre daß ich gestorben bin
Geh rufe dein Vater und Mutter,  das ganze Hausgesind,
geh rufe dein Schwester und Bruder,  der Bräutigam ist schon da
Und wie sie das erste Mal läuten,  da war die Braut schneeweiß,
Und wie sie das zweite Mal läuten,  da brach ihr aus der Schweiß
Und wie sie das dritte Mal läuten,  da nahm sie ein glückselig End
sie sind mit einander verschieden , verschieden aus der Welt
Es sind zwei Liebchen verschieden,  verschieden bei der Nacht,
Gott selber war der Priester , der sie getrauet hat

Dritte Fassung , mündlich  aus der Schweiz : “

Es ging ein Knäblein sachte wohl auf das Fensterlein
Schön Liebchen bist du drinne steh auf und laß mich ein
Ich kann mit dir wohl sprechen, rein lassen darf ich dich nicht
bin schon mit Einem versprochen kein Andern mag ich nicht
Mit dem du bist versprochen, schön Liebchen der bin ich
reich mir dein schneeweiß Händchen vielleicht erkennst du mich
Du schmeckst mir ja nach Erde, vermein du bist der Tod
Soll ich nicht schmecken nach Erde wenn ich hab drunten gelegn
Weck auf dein Vater und Mutter , weck auf die Freunde dein
grün Kränzlein sollst du tragen bis in den Himmel nein

( in: Meinert  :  Alte teutsche Volkslieder in der Mundart des Kuhländchens , Wien und Hamburg 1817)