Dunkel ist schon jedes Fenster alles still und stumm

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Dunkel ist schon jedes Fenster alles still und stumm

(Ständchensänger:)

Dunkel ist schon jedes Fenster
alles still und stumm
Nur Verliebte und Gespenster
schleichen noch herum
Horch der zwölfte Schlag erschallet
dumpf in meinem Ohr
und das Heer der Geister wallet
aus dem Grab hervor

(Nachtwächter:)
Je wat sliekt da vor den Döhren
Eck mot näher gahn
denn ick kann das frousche Köhren
hier nicht half verstahn

(Ständchensänger:)
Kalte Luft der Nacht umweht mich
zieht durch Bein und Arm
ach, zu Haus im Stübchen wär ich
sicher auch und warm

(Nachtwächter:)
Ne! Hei mag nahn Düwel reisen
warst du örst so alt
Sollst wahrhaftig ok noch streifen
denn des Nachts is kalt

(Ständchensänger:)
Ach, ihr Leute kommt an´s Fenster
helft mir aus der Not
Hülfe! Hülfe! Die Gespenster
machen mich sonst tot!

(Nachtwächter:)
Hei wat köhrt hei von Gespenstern
mak mich keinen Queif!
Wat fliekt hei dar untern Fenstern?
ne, hei is ein Deif

(Ständchensänger:)
Ach, ich armer irr´im Dunkeln
hör´ und sehe nicht
Dort, dort scheint mir was zu funkeln
Richtig, es ist Licht

(Nachtwächter:)
Kumm manns her, ek will dich segen
mut du spuchen gahn?
Du sliekst hier in losen Wegen
Stehldeif blief mal stahn

(Ständchensänger:)
Ach, ich bin kein Dieb, das kann er
mir ja wohl ansehn
drum so bitt ich ihn Herr Wächter
laß er mich doch gehn

(Nachtwächter:)
Nei, dat geit nich, hei mot mit mik
nach der Wache gahn
will he aber nich, so fang ick
glik to tuten an

(Ständchensänger:)
Ach, was hilft es ihm Herr Wächter
mich beschimpft zu sehn
nehm´er diesen blanken Taler
und laß er mich gehn

(Nachtwächter:)
Ja, hei es en ehrlich Mensche
ick hob mik bedacht
Nichts vor ungut! Herr ick wünsche
oehm ´ne gute Nacht

Text und Musik: Verfasser unbekannt

in Feuerwerker-Liederbuch (1883) , Nr. 57 – Volkstümliche Lieder der Deutschen (1895)
hoffentlich richtig transkribiert bei Plattdütsch und Altdeutscher Schrift…

Anmerkungen zu "Dunkel ist schon jedes Fenster alles still und stumm"

Sehr beliebter Zwiegesang zwischen einem Liebhaber und Nachtwächter, um 1800 entstanden und bis um 1850 noch in Norddeutschland gesungen. Der Nachtwächter singt niederdeutsch. Das scherzhafte Duett ist sehr wahrscheinlich veranlasst worden durch das ältere Lied von Kotzebue Komm fein Liebchen komm an’s Fenster

Böhme gibt das Lied nach Fink Hausschatz (1893 S 63) Erk Volkslieder  II 6 34 gibt den niederdeutschen Text zwischen den hochdeutschen Strophen in zwei Lesarten: a) 1820 von Hoffmann aufgeschrieben zu Vorhalle (Kirchspiel Wolmirstein), b) aus dem preuß Samlande (nach Richter’s Provinzial Blättern Königsberg 1842, S 563). Auch in W. Walter’s Volksliedern Leipzig 1841 S 215 steht das Lied.

Worterklärung

  • slieft = schleicht
  • Dören = Türen
  • näyer = näher
  • Kören, Küren = Gerede, Geschwätz
  • Queif = Zänkerei
  • freisen = frieren
  • nah n = nach dem
  • Düwel = Teufel
  • mot = muß
  • wust = wolltest
  • heff = habe