Der weren twe Königskinner (Ostfriesland)

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Der weren twe Königskinner
de hadden enanner so lef
bi nanner kunnen se nich kamen
dat Water wer vöels to dev

Du kanst je göt schwemmen min Leve
so schwemm denn heraver to mi
van Nacht sall en Fackel hier brannen
de Se to belüchten föer di

Der wer ök en falske Nunne
de schlek sük ganz sacht na de Ste
un damvte dat Lucht hüm tömal ut
de Königssöehn blef in de Se

De Dochter sprok to de Moder
Min Hart dat deit mi so ser
lat mi in de Lücht gän to wandeln
wol an de Kant van dat Mer

„Do dat min levste Dochter
man allen dürfst du nich gän
wäk up din Brör de jüngste
un de lat mit di gän “

„Och nä min Brör de jungste
de is so wild , dat Kind
de schütt na all de Vöegels
de an de Sekant sünd“

„Un schütt he denn all de macken
de wilden de lätt he gän
denn seggen gelik alle Minsken
dat het dat Königskind dän

Man Dochter min levste Dochter
allen dürfst du nich gan
wäk up din jüngste Süster
un de lat mit di gan“

„Och nä min jungste Süster
is noch en spöelend Kind
de löpt na all de Blömtjes
de an de Sekant sünd“

„Un plückt se denn all de roden
de witten de lätt se stan
denn seggen gelik alle Minsken
dat het dat Königskind dan

De Moder gung na de Karke
de Dochter gung an dat Mer
se gung so allen un so trurig
dat Hart dat de höer so ser

Och Fisker min gode Fisker
du süchst ik bin so krank
du kanst je un mußt mi helpen
sett ut din Fisknet to Fank

Hir hebb ik min Levste verlaren
wat ik up Erden hadd
man rik will ik di maken
kanst du upfisken de Schat

Föer jo will ik dagelank fisken
verden ik ok nix as Gottslon
He schmet sin Net in dat Water
wat fung he? de Königssöehn

Dar Fisker min levste Fisker
dar nim din verdende Lön
hier hest du min golden Ketten
un min demanten Krön

Se nem höer Levst in höer Arme
un küßde sin bleke Mund
Och trohe Mund kunst du spreken
denn word min Hart wer gesund

Se drückte hüm fast an höer Harte
dat Hart da de höer so ser
un langer kunn se nich leven
se sprung mit hüm in dat Mer

Diese Fassung der Königskinderballade bei J. R. Firmenich : Germaniens Völkerstimmen Band I. Berlin 1843 , S.15 — abgedruckt in Deutscher Liederhort (1856, Nr 21b) , daher in St. Georg Liederbuch deutscher Jugend (1935) —

Liederthema: ,
Liederzeit: vor 1843 : Zeitraum:
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Zur Geschichte dieses Liedes:

Parodien, Versionen und Variationen:

„Die Sage von den zwei Königskindern oder die Schwimmersage, welche in einer Reihe zusammengehöriger Volksballaden auftritt , ist nach ihrem Inhalte uralt. Diese Balladen , welche das unglückliche Geschick eines Liebespaares erzählen, bringen dieselbe Geschichte, die von Hero und Leander erzählt wird. Somit ist der Stoff aus dem hellenischen Altertum im Mittelalter in der Leute Mund gekommen und Vermittelung durch Gelehrte und Kunstdichter nicht anzuzweifeln:

Der Stoff wurde nach gekannten griechischen Quellen vermutlich durch provenzalische und nordfranzösische Dichter nach Deutschland getragen. In Deutschland muss die Sage wenigstens seit dem 12. Jahrhundert gekannt gewesen sein und scheint, dass sie vom Meere her eingebracht und nach dem Süden verpflanzt wurde, da die meisten hochdeutschen Texte scheinbar aus dem niederdeutschen hervorgegangen sind.

Lieder über diese herrliche Sage finden sich seit dem 15. Jahrhundert und bis jetrt in Nord- und Süddeutschland verbreitet. Sie beginnen: „Es waren zwei Königskinder“, „Ach Mutter, liebe Mutter“, „Ach Elslein, liebes Elselein“ …

Aber auch in Holland , Dänemark und Schweden wird das Lied von den unglücklichen Königskindern gesungen. Die Zeit hat das Gewand der Sage nach ihrer Sprache und die Wendungen geändert, und die Sage je nach dem neuen Lande und fremden Boden und Klima umgebildet.

Im 12. oder 13. Jahrhundert haben niederrheinische Kolonisten die Sage nach Mähren in das Kuhländchen verpflanzt. Hier wurde das Lied nicht nur mundartlich umgestaltet, sondern auch die Erinnerung an das Meer ist erloschen: die Königstochter der alten freien Sachsen ward hier zu einem Landmädchen der Kolonie verwandelt, und statt „an die kant van de rustende See“ zieht sie in den Grunwald und der Jüngling ertrinkt im Waldbache.

In der Schweiz hat sich die uralte, mythologische Sage, welche den klassischen Namen „Hero und Leander“ trägt, an mehreren Seen lokalisiert, besonders am Hallwyler See (Kanton Aargau) in dem Liede: „Es wend zwoi Liebi zsäme“ ( s. Rochholz, Aargauersagen II, 33 ) .

Die griechische Sage erzählt von Hero und Leander, die deutsche und skandinavische lassen die liebenden Königskinder ohne Namen .

Hero, eine schöne Jungfrau und Priesterin der Aphrodite zu Sefostes am Hellespont, liebte den schönen Leandros aus dem kleinasiatischen Abhdos, einer Stadt jenseits des Hellespont, gegenüber dem Orte seiner Geliebten. Um zu ihr zu gelangen, musste er stets den Hellespont durchschwimmen; in einer stürmischen Nacht kam er in den Fluten ums Leben. Da stürzt sich seine verzweifelnde Geliebte ins Meer

Dass die Sage sogar bis nach Indien hinaufreiche und dort am Gestade des Chinab und Pendschab im Volksmunde noch Lieder leben sollen, die das Unglück der Liebenden Hîr und Rângha, ähnlich dem von Hero und Leander, besingen ist ein Irrtum, den R. Köhler 1879 in der Zeitschrift f. d. Altertum ( Anzeiger Ser . VI. S. 265) zurückgewiesen . Diesen in deutschen Büchern nachgeschriebenen Irrtum hat zuerst der Orientalist Garcin de Taffy in seiner Übersetzung des hindostanischen Romans „Les Aventures de Kamrup“ , Paris 1834 p . II ausgesprochen, aber später in seiner Übersetzung des Romans Hir und Randscha 1857 widerrufen und erklärt, dass die Sage von diesem indischen Liebespaar mit der von Hero und Leander nicht identisch sei.“

(in: Erk / Böhme: Deutscher Liederhort I, 1894, Nr. 83 ff)

Anmerkungen zu "Der weren twe Königskinner (Ostfriesland)"

Dazu von Ludwig Erk die folgenden, erläuternden Übersetzungen aus dem ostfriesischen ins Hochdeutsche:

  • 1:  Der weren , es waren — twee, zwei —  leef, lieb — kamen, kommen —  vöels, viel —  te deep, zu tief —
  • 2. heraver , herüber — van Nacht, heute Nacht — brannen, brennen — föer für
  • 3.:  ook, auch —  falske, falsche —  Nunne, Nonne —  schleek,  schlich — sück,  sich — Stee, Stelle — dampte dat Lücht hüm tomal uut , löschte das Licht ihm auf einmal (plötzlich) aus —  bleef, blieb —
  • 4.:  sprook, sprach —  Hart , Herz — deit, tut — seer,  wehe (engl sore) —  Lücht, Luft
  • 5.: doh, tue — man, aber —  dürfst, darfst —  waak , wecke — Brör ,Bruder
  • 6.:  nä, nein — schütt, schießt —  na, nach — Seekant, Seekante, Seeufer —
  • 7.: maeken, die zahmen ( holl mak) — geliek, gleich
  • 8.: Süster, Schwester
  • 9.: spölend, spielend — lopt, läuft —  Blömtjes, Blümchen
  • 10.:  witten,  weissen
  • 11.: Karke, Kirche —  dee höer ,  tät ihr  —
  • 12. süchst,  siehst —  sett uut,  setz (wirf)  aus — Fisknet, Fischnetz– to Fank, zum Fang —
  • 13.:  verlaren,  verloren —  Schatt , Schatz —
  • 14.:  föer jo, für euch — schmeet,  schmiß, warf —
  • 15: bleeke, bleichen —  trohe, treuer —  weer , wieder —
  • 17: fast, fest — hüm , ihm