Sagt wo sind die Veilchen hin

Sagt, wo sind die Veilchen hin
Die so freudig glänzten,
Und der Blumenkönigin
Ihren Weg bekränzten?
Jüngling, ach! der Lenz entflieht
Diese Veilchen sind verblüht

Sagt, wo sind die Rosen hin
Die wir singend pflückten
Als sich Hirt und Schäferin
Hut und Busen schmückten?
Mädchen, ach! der Sommer flieht
Diese Rosen sind verblüht.

Führe denn zum Bächlein mich
Das die Veilchen tränkte
Das mit leisem Murmeln sich
In die Täler senkte
Luft und Sonne glühten sehr:
Jenes Bächlein ist nicht mehr

Bringe denn zur Laube mich,
Wo die Rosen standen
Wo in treuer Liebe sich
Hirt und Mädchen fanden
Wind und Hagel stürmten sehr
Jene Laube grünt nicht mehr

Sagt, wo ist das Mädchen hin
Das, weil ichs erblickte,
Sich mit demutvollem Sinn
Zu den Veilchen bückte?
Jüngling! alle Schönheit flieht:
Auch das Mädchen ist verblüht

Sagt, wo ist der Sänger hin,
Der auf bunten Wiesen
Veilchen, Ros’ und Schäferin,
Laub’ und Bach gepriesen?
Mädchen! unser Leben flieht
Auch der Sänger ist verblüht

Text: Johann Georg Jacobi (1782): „Nach einem alten Liede“, nämlich dem Gartenlied von Karl August Svabe . Der Text hat eine gewisse Ähnlichkeit zu „Sag mir wo die Blumen sind“, der deutschen Fassung von Pete Seegers „Where have all the Flowers gone“ – wenn auch die Klage fehlt über die Menschen, die nicht lernen wollen aus ihrem Unglück und immer wieder in den Krieg ziehen.
Musik: Johann Abraham Peter Schulz (1782)

Mit einer Notenbeilage des Komponisten Johann Abraham Peter Schulz ist Jacobis Lied erstmals im Hamburger Musen Almanach für 1783 erschienen. Das von Böhme als „verdrängtes Lied“ bezeichnete Gartenlied von Svabe wurde um 1750 auf eine Volksmelodie gedichtet.

Jacobi versuchte „im Einklang mit den fortschrittlichen literarischen Entwicklungen seiner Zeit den damals aktuellen ‘Volkston’ zu treffen. Das bedeutendste und nachhaltig wirksamste Zeugnis seiner volkstümlichen Lyrik ist sein Gedicht „Sagt, wo sind die Veilchen hin“, das sogar die Folkbewegung der Nachkriegszeit erreicht haben mag. Denn „inhaltliche und wörtliche Reminiszensen“ an das Lied scheinen in Pete Seegers „Where have all the flowers gone“ und deutlicher noch in seiner deutschen Übersetzung „Sag mir, wo die Blumen sind“ fortzuleben, mit der Marlene Dietrich einen späten Welterfolg hatte.“ (Quelle)

u.a. in Als der Großvater die Großmutter nahm (1885) – Volkstümliche Lieder der Deutschen (1895)