Was streiten die Gelehrten nur so eifrig sich herum

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Was streiten die Gelehrten nur
so eifrig sich herum
die Einrichtung in der Natur
schint mir verfehlt und dumm
So hat uns die Botanik auch
in Floras Reich gelehrt
daß alles ohne Sinn und Brauch
konfus ist und verkehrt

Weshlab soll die Asperula
des Waldes Meister sein
Was nützen der Campanula
die blauen Glöckelein
Waldmeistern dient ja kein Gesell
er zahlt auch keinen Lohn
es läuten nie die Glocken hell
sie geben keinen Ton

Was nützen den Papilionaceen
der Flügel und der Kiel
was hat Capsella Bursa denn
der Täschelchen so viel
Phaesolus fliegt nicht im Feld
und schifft nicht durch die See
und die Capsella hat kein Geld
und auch kein Porte-monnaie

Was nützt dem edlen Triticum
daß es die Semmel macht
Was nützt dem süß Sacharum
des eignen Zuckers Pracht
Das erste trinkt nur Alkali
und ißt an Salz sich satt
das andere knabbert Zucker nie
weil´s keine Zähne hat

Wozu die Conifere
die Stecknaden bei sich trägt
und die Umbellisere
nie den Schirm beiseite legt
Es lernte doch die Pinia
das Stricken nicht zu Haus
und Dill´s zerfetzter En-tout-cas
hält keinen Regen aus

Die Digitalis ist zu klein
für jede Nähterin
und Alchemilla´s Mäntelein
ist keine Crinolin
Das Cyripedium ist zu schmal
für einen Frauenschuh
Cheiranthus siegelt nicht einmal
mit Lack ein billet donx

Bambusen nützt sein Stock nicht viel
sie kann ja doch nicht gehn
und Cytisus Laburnum fiel
noch nie auf Danaen
Warum man die Nigella denn
Jungfrau im Grünen nennt
da sie in Polyandrien
für viele Männer brennt

Der Labiate helfen doch
die Doppellippen nicht
was nimmt die Personate noch
die Larve vor´s Gesicht
Es küßt die Galeopsis ja
den Thymus nicht einmal
Es geht ja die Linaria
auf keinen Maskenball

Was nützt Leethis Olla denn
der Deckel auf dem Kopf
Und was Aristolochien
der Tabakspfeifenkopf
Nicotiana Tabacum
die man wie´s Leben braucht
kennt selber nicht das Gaudium
und hat noch nie geraucht

Der Vitis, der uns alle labt
und edle Reben treibt
hat den Genuß noch nie gehabt
und war noch nie bekneipt
Es sitzt der Kelch umsonst am Stiel
er ist ja ohne Wein
und das Nectrium nützt nicht viel
ist doch kein Nektar drein

Da nun die Pflanze weder Wein
noch Nektar zu sich nimmt
sind diese Güter doch allein
dem Menschen zugestimmt
Drum trinken wir in einem Zug
der größten Becher leer
wir haben nimmermehr genug
und trinken immermehr

Text: Verfasser unbekannt
Musik: auf die Melodie von Da streiten sich die Leut herum

in: — Deutsch-Österreichisches Studentenliederbuch (1888) —

Liederthema: ,
Liederzeit: vor 1888 : Zeitraum:
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Parodien, Versionen und Variationen:

„Da streiten sich die Leut herum“ ist ein Lied aus dem Zaubermärchen „Der Verschwender“ von 1834. Der Text stammt von Ferdinand Raimund, die Musik von Konradin Kreutzer (1780 – 1849)  – meist werden nur die Strophen 1-3 oder 1-4 – gedruckt. Dieses „Hobellied“ wurde vielfach nachgedichtet.