Merkt auf ich weiß ein neu Gedicht – Wein her!

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Merkt auf, ich weiß ein neu Gedicht
von einer hohen Schule,
und wenn sie liegt am Neckar nicht
so suchet sie in Thule!
Dort schwingt den Becher jung und alt
die Knaben, Männer, Greise
und tausendstimmig hallt und schallt
die alte hehre Weise:
„Die Welt ist rund und muß sich drehn
was oben war, muß unten stehn!
Wein her! Wein her! Wein her! Wein her! Wein her!“

Einst sprach der Rektor kummerschwer:
„Es will mich fast bedünken,
als ob die Herrn Studenten mehr
als ihnen ziemet, trinken.
Laßt’s Eure Sorge sein, Pedell
daß Maß die Jugend halte!“
Da eilte der Getreue schnell
zur Schänke, wo es schallte:
„Die Welt ist rund und muß sich drehn
was oben war, muß unten stehn!
Wein her! Wein her! Wein her! Wein her! Wein her!“

Es rann das große Ausstichfaß
im Schank zum goldnen Löwen;
der Boden und der Tisch war naß
vom edlen Blut der Reben.
Der Herr Pedell kam, sah und trank
erst Neuen und dann Alten,
bis schwer das Haupt ihm niedersank
und seine Lippen lallten:
„Die Welt ist rund und muß sich drehn
was oben war, muß unten stehn!
Wein her! Wein her! Wein her! Wein her! Wein her!“

Tags drauf der Rektor zürnend sprach:
„Auch Ihr zählt zu den Toren
jetzt geht und ruft in mein Gemach
die Herren Professoren!“
„Ihr werten Herrn, nun steht mir bei
den uns vertrauten Seelen
zu legen Suff und Völlerei
und das verwünschte Gröhlen:
„Die Welt ist rund und muß sich drehn
was oben war, muß unten stehn!
Wein her! Wein her! Wein her! Wein her! Wein her!“

Es saßen bis nach Mitternacht
beisammen die Hochweisen,
und weil das Sprechen durstig macht
ließ man den Becher kreisen;
und als der Herr Pedell sein Ohr
genäh’rt der Türe Spalte,
fuhr er mit freud’gem Schreck empor
dieweil es drinnen schallte:
„Die Welt ist rund und muß sich drehn
was oben war, muß unten stehn!
Wein her! Wein her! Wein her! Wein her! Wein her!“

Es war den Herrn am nächsten Tag
im Kopfe etwas öde.
Von Schwelgerei und Zechgelag
war weiter nicht die Rede.
Studenten trinken und Senat
seitdem in gleicher Weise
und himmelwärts schallt’s früh und spat
aus lust’ger Zecher Kreise:
„Die Welt ist rund und muß sich drehn
was oben war, muß unten stehn!
Wein her! Wein her! Wein her! Wein her! Wein her!“

Text: Rudolf Baumbach
Musik: Franz Wilhelm Abt – 1878

in: Allgemeines Deutsches Kommersbuch (1858) — Des Rennsteigwanderers Liederbuch (1907) — Liederbuch Duisburger Waffenring (ca 1925) —  

 

Liederthema:
Liederzeit: vor 1878 : Zeitraum:
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