Kaiserpreissingen deutscher Männerchöre (1903)

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Kaiser rügt Liedauswahl

Nach dem Schluß des 2. Kaiserpreissingens deutscher Männerchöre in Frankfurt a. M. rügt der Kaiser in Gegenwart des Kultusministers Dr. Studt die Dirigenten, unter ihnen viele Lehrer, u. a. wegen unzulänglicher Liedauswahl. Auszüge aus dieser Rede vom 6. Juni 1903:

Ich möchte dringend davor warnen, daß Sie nicht etwa auf den Weg treten, es philharmonischen Chören gleichzutun. Meine Ansicht ist: der Männergesangverein ist dazu nicht da; er soll das Volkslied pflegen. Von den Kompositionen, die unseren Herzen nahestehen, ist merkwürdig wenig gesungen worden, sechs- bis siebenmal Hegar , achtmal Brambach .

Ich kann Ihnen offen gestehen, wenn man diese Meister öfter hintereinander hört, dann würde man jeden Verein mit Dank und Jubel begrüßen, der nur einmal – Wer hat dich, du schöner Wald – oder – Ich hatt´ einen Kameraden – oder – Es zogen drei Burschen – gesungen hätte.

… Ich bin im allgemeinen sehr dankbar, daß so patriotische und schöne Texte gewählt wurden, die von alten Kaisersagen und großer Vorzeit handeln, Ich glaube aber, daß zum Teil die Komponisten den Texten nicht gerecht werden. Es soll meines Erachtens ein Chor aus schönen Männerstimmen nicht durch Komponisten dahin gebracht werden, daß er Tonmalerei treibt und eine orchestermäßige Instrumentation nachmacht. Tonmalerei des Orchesters ist schon nicht immer angenehm, mit Männerstimmen noch bedenklicher. Die Länge ermüdet, weil die Tonlage eines Männerchores immerhin beschränkt ist und auf die Dauer zu gleichmäßig wirkt.

Ich warne auch davor, nicht zu lyrisch zu werden. Ich glaube, daß auch im Preischor die Lyrik zu sehr vorwaltet. Die Herren werden gemerkt haben, daß die Chöre, die etwas mehr Energisches und Männliches zeigten, beim Publikum mehr Beifall gefunden haben. Die Sentimentalität, die in jeder deutschen Seele ruht, soll in poetischen Schöpfungen auch zum Ausdruck kommen; aber da, wo es sich um Balladen und Mannestaten handelt, muß der Männerchor energisch zur Geltung kommen, am besten in einfachen Kompositionen. …

Die Wahl der Chöre werde Ich in Zukunft dadurch entsprechender zu gestalten versuchen, daß Ich eine Sammlung veranstalten werde sämtlicher Volkslieder, die in Deutschland, Osterreich und der Schweiz geschrieben, gesungen und bekannt sind, gleichgültig, ob der Komponist bekannt ist oder nicht. Sie wird katalogisiert werden, und Ich werde dafür Sorge tragen, daß sie allen Vereinen billig und einfach zugänglich sein kann. Dann werden wir in der Lage sein, aus diesem Kreise Lieder zu suchen, die wir brauchen.

Wir sind hier am Rhein, und nicht ein einziger Verein hat die – Drei Burschen – gesungen oder – Joachim Hans von Zieten – und – Fridericus Rex – Wir sind hier in Frankfurt, und kein einziger hat Kalliwoda gewählt. Wir haben Mendelssohn , Beethoven , Abt ; von ihnen ist nichts erklungen. Hiermit ist nun wohl der modernen Komposition genug getan. Sie haben sich die Aufgaben gestellt – Ich nehme auch das Preislied nicht aus. Ich selbst halte es an einzelnen Stellen für viel zu schwer – Ich glaube, daß wir sie in vieler Beziehung vereinfachen können …

Meine Herren! Ich erwarte von Ihnen, daß Sie möglichst dieser Ansicht und diesen Meinen Ratschlägen entsprechen werden. Sonst kann Ich nur sagen, daß wir zum Teil geradezu ganz hervorragendes Material gehört haben, auch abgesehen von den Vereinen, die auch unter Ihnen als hervorragend anerkannt sind, instrumental glockenartige Effekte! Unzweifelhaft ist, daß ein hoher Grad von musikalischer Begabung in der Bevölkerung steckt, der aber in einfachen , klangreichen Harmonien sich zu zeigen Gelegenheit haben muß.

Wenn Sie diese einfachen, schönen Chöre, wie sie das Volkslied und die Komponisten darbieten, die Ich genannt habe, singen, so werden Sie selber Freude haben und weniger Schwierigkeiten, und gleichzeitig werden Sie das Publikum… besser mit unserm Volksliede bekannt machen. Sie werden mit dem Volksliede den Patriotismus stärken, und damit das allgemeine Band, das alle umschließen soll. Ich danke Ihnen.

in: Reden des Kaisers , herausgegeben von Ernst Johann , 1977

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