In Deutschland lebt ein edler Graf (Chasot)

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In Deutschland lebt ein edler Graf
Eine freie Stadt war sein Vaterland
Ein rechter Ritter fromm und brav
Seine Seele trug er in seiner Hand
Die Stadt heißt Lübeck von altem Namen
Der Graf heißt Chasot von edlem Samen

Dem freien reichsgebornen Mann
Gefiel die Schande des Reiches schlecht
In seinen Adern Ehre rann
Drum haßt er durstig den Schelm und Knecht
Ein Freund von redlichen Biederleuten
Ein Feind von Sklaven die Knechtschaft leiden

Drum war er mit dem Degen risch
Wo gegen Franzosen die Trommel klang
Das macht ihm Mut und Seele frisch
Das klang ihm lieblich wie Himmelgesang
Da mußt er hin über Land und Wasser
Der tapfre und kühne Franzosenhasser

Als nun die Post aus Rußland scholl
Der Kaiser von Rußland ziehe aus
Das däuchte dem edlen Grafen wohl
Da konnte er nicht sitzen still zu Haus
Da muß er das Blut und das Leben wagen
Da muß er sich mit den Franzosen schlagen

Durch Buben und Verräter schleicht
Viel hundert Meilen der Grafensohn
Wo seinem Herzen lustig däucht
Wo klinget des Krieges Posaunenton
Wo Alexander die Männer rüstet
Und mutige Russen nach Streit gelüstet

Bald braust auf sie wie wildes Meer
Französischer Rotten gewaltige Flut
sie ziehen trotziglich daher
Und prahlen im dräuenden Übermut
Wer will uns die Herrschaft der Erde wehren

Doch Gott im Himmel sah darein
Und der Russen mächtige Heldenfaust
Wie Herbstwind schüttelt das Laub im Hain
So hat sie der Sturmwind der Schlacht zerzaust
Sie sollten die Raben und Wölfe füttern
In Rußland sollt ihr Gebein verwittern

Der edle Graf in mancher Schlacht
in manchem blutigen Männerstrauß
sich gegen die Schelme lustig macht
Er sieht sie zerstieben zu Staub und Graus
Er sieht sie fliehen er sieht sie fallen
Das däucht ihm der lustigste Fall von allen

Drauf reist er hin nach Petersburg
An Hoffnungen und an Freuden reich
Eine Zierde für die Kaiserburg
Ein schöner Sprößling aus deutschem Reich
Dort will er für Vaterland Gott und Ehren
Erlesene Männer zum Streit bewehren

Dort hebt die deutsche Legion
Für Freiheit und Deutschland das Siegspanier
sie brennet gegen Schmach und Hohn
Und gegen Franzosen von Kriegsbegier
Sie brennet von Wonne der süßen Stunde
Wo brauset die Jagd auf die fremden Hunde

Sie schauet auf des Grafen Schwert
Und auf sein biederes deutsches Herz
Er dünket ihr vor allen wert
Voranzuspielen im Schlachtenscherz
Voranzutanzen den kühnen Reihen
Als Held und Führer der deutschen Freien

Du edler Graf wo ziehst du hin
Wo ziehst du hin im Winter und Schnee
Auf Deutschland steht dir nur der Sinn
Dir tun die armen Gefangenen weh
Die armen Gefangenen die die Franzosen
Haben in den Tod und das Elend gestoßen

Du edler Graf wo ziehst du hin
Wo ziehst du hin im Winter und Schnee
Auf Deutschland steht dir nur der Sinn
Drum ziehst du nach Pleskow am Peipussee
Da willst du die armen Gefangnen erlösen
Und willst sie bewaffnen gegen die Bösen

O Pleskow Stadt am Peipussee
Wann hört die Klage der Freien auf
Wann saust nicht mehr ein dumpfes Weh
In deines Wassers ächzendem Lauf
in dir soll der Bravste von allen Braven
in dir soll der edle Graf Chasot schlafen

Der Ritter der die Kranken pflegt
Und der Verwundeten Schmerz verbind t
Wird in die dunkle Gruft gelegt
Schon spielet um seinen Hügel der Wind
Die irdische Sonne wird nimmer ihm scheinen
Doch werden ihn ewig die Freien beweinen

Denn einen freiern deutschen Mann
Als Chasot gewesen der edle Graf
Nie Deutschland je gebähren kann
An Leib und Seele so fest und brav
Ein Kind in Liebe ein Held in Treuen
Ein Herz wie die Herzen der edlen Leuen

Drum setzen wir ihm diesen Leichenstein
Drum singen wir ihm dieses letzte Lied
So lange noch grünt eine Eiche im Hain
So lang auf Auen eine Blume noch blüht
So lange Liebe glühet in deutschen Seelen
Sollen Kränze und Thränen ihm nimmer fehlen

Text : Ernst Moritz Arndt, 1806
in Fünf Lieder für deutsche Soldaten (1806)

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