Es liegt ein Schloß in Österreich (1606)

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Es liegt ein Schloß in Österreich
ist uns ganz wohl erbauet
von Silber und von rotem Gold
mit Marmelstein gemauret

Darin da liegt ein junger Knab
auf seinen Hals gefangen
wol vierzig Klaftern tief unter der Erd
bei Nattern und bei Schlangen

Sein Vater kam von Rosenberg
wol vor den Thurm gegangen
Ach Sohne liebster Sohne mein
wie hart liegstu gefangen

Ach Vater liebster Vater mein
gar hart lieg ich gefangen
wol vierzig Klaftern tief unter der Erd
bei Nattern und bei Schlangen

Sein Vater zu den Herren ging
Gebt uns los den Gefangen
dreihundert Gülden die wolln wir euch gebn
wol für des Knaben sein Leben

Dreihundert Gülden die helfen euch nicht
der Knab und der muß sterben
er trägt ein güldene Ketten am Hals
die bringt ihn um das Leben

Tägt er ein güldene Ketten am Hals
hat er sie doch nicht gestohlen
hats ihm ein zarts Jungfräulein verehrt
darbei hat sie ihn erzogen

Man führt den Knaben wol aus dem Thurm
man reicht ihm das Sakramente
Hilf reicher Christ vom Himmel herab
es geht mir an mein Ende

Man führt den Knaben zum Gericht  hinaus
die Sprossen mußt er steigen
Ach Züchtiger lieber Züchtiger mein
laß mir ein kleine Weile

Ein kleine Weile laß ich dir nicht
du möchtst mir sonst entrinnen
leiht mir ein seidens Tüchlein her
daß ich ihm sein Augen verbinde

Ach meine Augen verbinde mir nicht
ich muß die Welt anschauen
ich sehe sie heut und nimmermehr
mit meinen schwarzbraun Augen

Sein Vater unterm Gerichte stund
sein Herz möcht ihm zerbrechen
Ach Sohne liebster Sohne mein
dein Tod will ich schon rächen

Ach Vater liebster Vater mein
mein Tod sollt ihr nicht rächen
bringt meiner Seelen ein schwere Pein
um Unschuld so will ich sterben

Es ist nicht um mein stolzen Leib
noch um mein junges Leben
es ist nur um meine Frau Mutter daheim
die weinet sich also sehre

Es stund kaum an den dritten Tag
ein Engel kam vom Himmel
man sollt den Knabn vom Gerichte nehmn ab
sonst würde die Stadt versinken

Es stund kaum an ein ein halbes Jahr
der Tod der ward gerochen
es wurden mehr denn dreihundert Mann
vons Knaben wegen erstochen

Wer ist der uns dies Liedlein erdacht
gesungen auch zugleiche
Das haben gethan drei Jungfräulein zart
zu Wien in Oesterreiche

Diese Fassung von Das Schloß in Oesterreich , Fliegendes Blatt vom Jahre 1606 , “ Drey Schöne Newe Lieder“ Das dritte . Abgedruckt bei Ludwig Erk , Deutscher Liederhort (1855)

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Parodien, Versionen und Variationen:

„Es liegt ein Schloß in Österreich“ ist ein Volkslied aus dem 16, Jahrhundert, das von einem gefangenen jungen Mann erzählt, der am Galgen sterben muß. Sein Vater bitten den „Herren“ um Gnade, der sich aber nicht erweichen lässt. „Sein Vater kam von Rosenberg wohl vor den Thurm gegangen…“.  Rosenberg bezeichnet nach Erk wahrscheinlich das in Böhmen an der Mulde unfern der österreichischen Grenze gelegene Städtchen dieses Namens.

Der Sohn wird gehängt, weil er eine goldene Kette gestohlen haben soll, die ihm aber eine junge Frau aus Liebe geschenkt hat. „Trägt er von Gold eine Kett am Hals / die hat er nicht gestohlen / hats ihm ein zart Jungfräulein verehrt..“

Alles Bitten nützt jedoch nichts, der „Herr“ gewährt keine Gnade. “ Sein Vater beim Gerichte stund / sein Herz wollt ihm zerbrechen / Ach Sohne liebster Sohne mein / dein Tod will ich schon rächen.“ Der Sohn aber bittet seinen Vater, ihn nicht zu rächen, um seiner Mutter willen.

Bemerkenswert ist, dass die schlesischen Weber in ihrem Kampf um besseren Lohn, mehr als 200 Jahre später dieses Lied aufgreifen, um darauf in Peterswaldau  ihr „Hier im Ort ist ein Gericht (Das Blutgericht)“ zu singen. Peterswaldau und Rosenberg liegen etwa 110 Kilometer auseinander. Womöglich  ist also diese Geschichte vom „Schloß in Österreich“ als Geschichte von Unterdrückung und Ohnmacht und dem Kampf gegen den „Herren“ bis Mitte des 19. Jahrhunderts im Gedächtnis der Bevölkerung geblieben.  Veröffentlicht hat das Lied zuerst Hoffmann von Fallersleben in ”Schlesische Volkslieder”.

Denkbar wäre daher auch, dass das Lied durch die Veröffentlichung neu bekannt wurde. Das Lied stammt aus dem 16. Jahrhundert, die erste hier wieder gegebene Melodie wurde 1842 von Ludwig Erk notiert, die zweite Melodie stammt aus Wimpfen und wurde 1909 aufgeschrieben.

"Es liegt ein Schloß in Österreich (1606)" wird auf diese Melodie gesungen:

Melodie zu Es liegt ein Schloß in Österreich (1606)