Die Hungerschlacht von Crimmitschau

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Kein Hurra braust, keine Büchse kracht
Kein wilder Schlachtradau
Und doch tobt eine wilde Schlacht
Im sächsischen Crimmitschau
Kein Heerhauf steht dort im Gefecht
In rotem und blauem Frack
Dort kämpft verzweifelt um’s gute Recht
Das hungrige „Weberpack“

Die hungrigen Weber von Crimmitschau,
die müde der langen Frohn,
stehn Schulter an Schulter, Mann und Frau
in trotziger Rebellion.
Sie wollen kürzen der Stunden Qual
In der Fabriken Pein
Doch wehrt es trotzig das Kapital
Den Webern, Mensch zu sein.

Nicht eine Stunde lässt’s zurück
Von dieser Höllen Not
Gold wiegt ihm mehr als Menschenglück
Und Steine reicht’s statt Brot
Und will das Proletariat
Nicht ducken wie ein Hund
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daß alles kracht und pufft
siebentausend Weber von Crimmitschau
die setzt er an die Luft
Der Hunger ist ein rüder Gesell
Macht manchen Lümmel zahm
Seine gierigen Augen brennen hell
Er kennt nicht Scheu, noch Scham

Die Crimmitschauer doch schreckt er nicht
Längst ist er ihnen vertraut
Sie schauen ihm trotzig in’s Gesicht
Wie schwer seine Geissel haut.
Sie hungerten ja ihr Leben lang
Drum – „Arbeitswill’ge heran
Zu brechen durch Eurer Hände Zwang
Der Hungrer trotzigen Bann“

Sie hungern weiter mit stillem Mut
Sie hungern, Mann und Frau
Sie verstehen sich ja auf’s Hungern gut
Die Weber von Crimmitschau
„Nun komme zu Hilfe, o Vater Staat,
nun komm‘ mit gepanzerter Faust,
und schlage das Proletariat,
daß ihm in der Seele graust!“

Der Staat rückt mit Gendarmen an
Als ging es in Feindes Land
Und der Weber Rechte zerbricht er dann
Mit fester gewappneter Hand
Die Glieder gefesselt, verfehmt das Wort
So dulden Mann und Frau
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und selber der Weihnachtskerzen Glanz
bricht ihnen nimmer den Mut
da zeigt sich die Nächstenlieb erst ganz
in roter bengalischer Glut
Da bricht das blendende Phrasentum
Der Frommen wie morsches Holz
Da erntet das Volk den höchsten Ruhm
Da zeigt es den höchsten Stolz

Die Weber stehn wie die Mauern stark
Von ihren Brüdern gestützt
Und neuer Mut durchrinnt das Mark
Und trotzig das Auge blickt

Still liegt die Stadt, einem Kirchhof gleich
Das laute Leben floh
Die Fabrikanten steh’n so bleich
Sind nicht des Daseins froh
Doch bringt es auch den Untergang
Sie steh’n in starrem Trotz
Es beugt sich nur dem ehrlichen zwang
Der Geldsack und der Protz

Ein zähes Ringen hin und her
Ein stummer, wilder Kampf
Doch blitzt und prasselt kein Gewehr
Es streicht kein Pulverdampf
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und das Elend hält die Wacht

Da muß der Sieg den Webern sein
Den Webern, Mann und Frau
Sie hungern sich in den Sieg hinein
Die Helden von Crimmitschau!

Aus: Süddeutscher Postillon, Spezialnummer, 1904
Nach: Westfalen-Lippe / Westfälisches Industriemuseum

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Liederzeit: vor 1904 : Zeitraum:
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