Das Baurenwerk ist nix mehr werth (Bauernklage)

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Das Baurenwerk ist nix mehr werth (Bauernklage)

Das Baurenwerk ist nix mehr wert
Der Handel hat sich bald verkehrt
Ist nix dabei als Müh und Bschwer
Wollt, daß der Teufel ein Baur wär!

Träidt (Getreide) und Viech gilt ä (auch) nix mehr
Schmolz und anders ä nix her;
Bring ix (ich’s) int Stadt ä äff den Markt
So brest und köfft (presst und handelt) man mit mir so hart.

Und lassn an knöckhä (knicken, sich verbeugen) vor der Tür
Geben am schier lieber nix darfür;
Kömmt aber Michely für das Haus
So heißt’s: Baur, gib Geld und Steur aus!

Die Scharbä (Schwarwerk, Vorspanndienst) kommt schier alle Tag
Und wann i schon nit fahren mag
So heißts holt dennö: Baur spann an!
Tu iss (ich’s) nit, ha y (ich) die Verherr zlan (Verhör zu leiden)

Die Tagwerger und die Handwerksleut
Nehmen jetz bei der golden Zeit
Ä solchen mächten graussen La (Lohn)
Daß ix bald nimmä däschwinden (erschwingen) kann

Ä Zimmermann, das tut mir Zarn (Zorn)
Gwinnt schier all Tag ein Metzen Khairn (Korn);
Will y (ich) eim nit göben, was er will
So lät mir all mein Arbeit still.

Sie sein Herrn, mir sein Knecht
Das ist uns Baurn gar nit recht
Soltnerwerck kombt heur und ferth (voriges Jahr)
Schier eyben anderhalben Wert

Kaff ich nä scheldt (nur) ä lödters (ledernes) Gröss
Ä Joppen und ä bloders Gsäss (Pluderhose)
So geht glei dräff und ist scha hin
Ä ganz Schaff kein, so klei y bin

Die Gelder (Gläubiger) setzen ein ä nit aus
Läffen am Tag und Nacht ums Haus
Tun an stäts antasten und schenden
wollen am nur Ross und Khüe auspfänden

Der Knecht und Dirn wollen ihren Lahn
Zahl iss nit aus, so läffens davon
Auf allen Seiten geht mir halt a
Wo ich hin schau, so ist nix da.

Y weiss ä nit ein Kreitzer zu schätzen
Liess mi ja sonst kein Gelter drätzen (reizen)
Y ha drei Khüe, ist kheine mein
Khören (gehören) all drei int Stott (in die Stadt) hinein.

Y ha drei Ross, ist keiss nix wert
Hinkt eis drunter heur und ferth
Das ander hat kein Zahnt im Maul
Das dritt ist blind und sonst stockfaul.

Bin darzu die zwei noch schuldig
Das macht ein freiliger ungeduldig;
Och ha siebn Hennen, machn viel Gschrei
Und löt (legt) dabei keine kein Ei.

Inn Stall ist weder Stra noch Heu
Der Holzmist (Laubstreu) ist mein grösste Streu;
Es raucht im Haus und regnt mir ein
Es kundt ä ja nit schlimmer sein.

Das Wirtshaus stand mir halt ä wohl an
Ja wann ich hätt einen guten Gspan
Und ist der Gürg Doffl ä narrger Bue
Setzt mir auf allen Seiten zu.

Ist vonstadt (sofort) und im Schuss auf mir
Wann er an nur derdapt bein Bier:
Hau nacht mit meinen Nachbauren gehögelt (geneckt)
Schledt (nur) ein wenig unter Nasen geschnöglt (ein Schnippchen schlagen)

Hat mi der Pflöger unverhofft
Vonstadt umb zwei Pfund Pfenning strofft
Y wanss nit, macht ein das Bier so doll
Oder haus (wirtschafte) y öppen sonst nit wohl

Bin in die Musterung ä darzue,
Und han der Geschäft und Handl gnue,
Dass no ä kau Wunder war,
Y gieng davon, liest Hörber lär (ließ die Herberg leer)

Y hab darzu ein bös Weib daheim
Das ist ä gar ein übles Bein
und ist schon eine aus den Alten
Hat ein Gsicht ä wohl hundert Falten.

Ä kohlschwarz Haar wie mein Schimmel
War grosse Zeit mit ihr gen Himmel
Zankt und greint ä ganze Wochen
Und kann kein gute Suppen kochen

Heut zankts mir dies, morgen das,
Hausts (heißt’s) für und für: Du Schelm, du Fraas!
Raufen oft ä halben Tag
Die Stuben wohl vier mal äf und ab.

Blitzt und donnert umb im Haus
Und jaugt än oft wohl gar daraus:
Sie setzt mir halt so lang nit aus
Bis y (ich) ihr den Schädl wohl derzauss (zerzaus‚).

Lief oft von Herzen gern davon,
Greift ein die Höppin (Kröte) selbst wieder an;
Y wollt, iss lag tief in Grab
So kam y meiner Marter ab.

Y wollt im Schuss (sofort) ein andere nemmen (nehmen)
Möcht y ä wider unter Geld kemmen
Über dies hau y ä no Plag
Und ist a schier mein größte Klag.

Hirschen machen ein gar dertrelt (zerplagt)
Liegen ein Tag und Nacht im Feld
Frössen umb in Träidt und Kraut
Äss wann’s für sie allein wärt baut

Es gehn zwei grosse Hörner (Geweihe, Hirsche) weit und ferr
Znagst an meiner Höcken her;
Das ein war ein dicker feister Knopf
Hat wohl vierzehen Zacken auf dem Kopf.

Ist oben braun und unten gelb
Mein oft, es sei der Teufel selb
Springen anher zwerg [quer) der Strassen
Tun mir schaden über Massen.

Y muss mich Tag und Nacht müeten (abmühen)
Und kan halt denne nix da hüeten
Ha in der Paunt (Feldflur) ein Gabes(Kohl) baut
Und ha zwei Tag nit nach gschaut.

Ist mirs Unziefer drüber gsessen,
Hambt mirn mehr als halbet abgfrössen
A grosse Sau läfft ä damit
Die göt ä ganze Nacht kein Fried.

Wirft grosse Löcher aus in Grund
Dass y mi selb darin verbergen kund
Hangen ihr an acht junge Fäckhl
Sein die meisten lauter Präckhl (Bracken, junge männliche Schweine)

Striellen (mit dem Rüssel wühlen) und wühlen im Anger umb;
Wann y glei schrei, sie gömbt nix drumb;
Der Stutzl setzt ihr wacker aufs Gnackh
Sein dritter (sind zu dritt) früe und spät.

Der Wäckerl läfft ä wie ein Poitz
Der Prändl jauckt oft bis ins Holz
Sie Jagens oft tapfer auf und ab
Zu Morgens Seins schon wieder da.

Heben ihren Schnabi auf int Höh
Fressen damach wie von Ne;
Ja wann y ä Büxen bekam
Wollt mi ä mal stölln untern Bäm.

Wollt ihrs eins int Wamben göben
Dass nit über zwo Stund sollt leben;
Y hauss bein Jägern oft vorlaut (kund getan)
Und ha ihn alle Wahrheit gsait.

Sie sollen mit Stechen und mit Spiessen
Die Frösser tapfer nieder schiessen
Sie lassens aber fein mit Ruh
Und spotten meiner no darzu.

Wir müssen halt Hirschen und Sau emährn
Sie tunt Haut und Fleisch verzehrn;
Wollt no ä mal solcher Gschär
Dass der Teufel ä ein Baur war.

Wöst (wüßt} y nur was und hätts in Hirn
Sollt einer no lieber studiern
Kündt y no schledt ein wenig lesen und schreibn
Y wollt nit lang ein Baur bleibn.

Y wollt bei Gricht ein Rödner wem
Y wist mir ä scha gute Herrn
Die gebn mir zfressen und sauffen gnue
Und göbn mir wacker Geld darzue:
Y will halt schaun, wie y im tue.

Text und Musik: Verfasser unbekannt, um 1650
in Deutscher Liederhort III (1894, Nr. 1547 „Die Bauernklage“)
Musik nach: „Der Bayrische Bauer“

Fliegendes Blatt (früher in v. Meusebach’s Sammelband 8); jetzt Königliche Bibliothek Berlin; „Ein Außbündig Lustig, Kurtzweilig und Nagelnewes Lied. Die Baurnklag genannt. Im Thon wie man den Bayrischen Bauren singt. (Melodie Handschriftlich beigesetzt) Gedruckt zu Augspurg bey Johann Schultes. (um 1650). Lied von 38 Sttophen. Die eingeklammerten kleinen Auftaktnoten fehlen in der Handschrift.
auch bei Steinitz I, S.58f

Liederthema:
Liederzeit: vor 1650 : Zeitraum:
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Geschichte dieses Liedes:

Zur Geschichte dieses Liedes:

Parodien, Versionen und Variationen:

„Ich bin ein armer Bauer“ ist die älteste Bauernklage, die vom 17. bis ins 19. Jh. gelebt hat und in Resten noch in unserem Jahrhundert aufgezeichnet worden ist. Die älteste Fassung aus dem 17. Jh. heißt »Schwäbische Bauernklage“, und in Schwaben hat sich der Text am vollständigsten und am längsten erhalten — war das Lied doch noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Brauchtum verbunden (Spruch beim Pfingstritt).

Dies ist sicher nicht zufällig. Die schwäbischen Kleinbauern befanden sich unter ihren zahllosen kleineren und größeren Herrschaften im 18. und 19. Jh. unter besonders scharfer feudaler Ausbeutung, was sich auch in ihrer aktiven Teilnahme an der 1848er Bewegung zeigte. Aus dem gleichen Gebiet stammen auch die meisten der Auswandererlieder , die gleichfalls die Not der Kleinbauern wiederspiegeln ( Steinitz 1 S. 57)

Anmerkungen zu "Das Baurenwerk ist nix mehr werth (Bauernklage)"

Erläuterungen:

1.3: Bschwer = Beschwerde