Die alte Urschel und die Nachtfräulein

Eine Mutter hat viele Töchter, die schlafen. Während die Mutter abwesend ist, kommt die alte Urschel mit ihren beiden Töchtern, den Nachtfräulein, und holen drei Kinder, jede eins, die sie in die Höhle führen. Sie stellen sich selbst davor und bergen sie hinter ihren ausgebreiteten Kleidern. Darauf kommt die Mutter zurück, sieht, daß ihr drei Kinder fehlen und fragt das Nachtfräulein. Die Nachtfräulein breiten die Arme aus und winken abwehrend, indem sie sprechen: „Nicht da! Nicht da!“

Die Mutter geht wieder. Darauf holen die Nachtfräulein mit der Urschel abermals drei Kinder. Die zurückkehrende Mutter erkundigt sich wieder und wird wie das erste mal abgewiesen. So entführen jene der Mutter nach und nach alle Kinder, bis auf die älteste Tochter, die „die klägerin“ genannt wird; denn sie begibt sich jetzt suchend zu den Nachtfräulein und weint, indem die Mutter klagt, daß ihr alle Kinder bis auf diese eine genommen seien. In der folgenden Nacht holen die Nachtfräulein auch noch das letzte Kind. Die Mutter kommt wieder, klagt und fragt. „Habt ihr meine Kinder nicht gesehen?“ Die Nachtfräulein winken wieder abweisend: „Nicht da! Nicht da!“ Dann geht die Mutter fort und wird eine Hexe.

Indessen stellt sich die alte Urschel zwischen ihre beiden Töchter und sagt zu den gestohlenen Kindern: „Kommt Kinder, wir wollen spazieren gehn“ Während die Kinder ihr folgen, kommt die rechte Mutter zurück und zupft ein Kind am Rock; weil sie aber hexen kann, so spüren solches alle Kinder zugleich und sagen zur Urschel: „Ach Mutter, mich zupft jemand am Rock“ Die Urschel sagt: „Es wird ein Hündle sein!“

Alsdann wird die alte Urschel mit ihren beiden Nachtfräulein ebenfalls in einem Augenblicke gezupft, worauf sie sich umsehen. Urschel fragt die Frau, was sie wolle? Sie antwortet, ob sie nicht mit spazieren gehen dürfe? Die Urschel erlaubt ihr das und geht sie zu ihren Kindern, macht allerlei seltsame Mienen und zauberhafte Bewegungen mit den Händen, so daß es die Nachtfräulein merken und eine von ihnen ruft: „Was ist das für ein Mensch?“ Nun sieht auch die Urschel sie an und sagt: „Das ist wahrlich eine Hexe!“ Darauf schreien ihre eigenen Kinder alle zusammen: „Die Hexe von London! Die Hexe von London!“ und springen auseinander. Die Hexe aber fängt ihre Kinder wieder ein, geht mit ihnen fort und macht sie alle zu Hexen.

bei Meier , 391 ; aus Schwaben
nach Deutsches Kinderlied und Kinderspiel (1897)

zur schwäbischen Sage von Urschel und den Nachtfräulein vergleiche Meier : Schwäbische Sagen ( Eil. XXII) , Simrock : Mythol. 371 –

Böhme (1897) schreibt zu diesem Spiel: „Das gewiß alte Spiel ist wie die Sage voll Aberglaubens noch nicht gedeutet und wird solcher Unsinn schwerlich jemals verstanden. Nur soviel sei nach Meier bemerkt: Die Urschel der schwäbischen Sage, welche mit ihren Töchtern in einem Berge wohnte und alle Nachtfräulein waren, die um ihre Erlösung jammerten. Mit der heiligen Ursula hat der Name nichts zu tun. Er hängt vermutlich mit dem Hörselberg (arg entstellt aus Hör-Seel-Berg , vielleicht einst Asenberg?) zusammen“ —


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