Als aus den mütterlichen Händen (Die Schöpfung)

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Als aus den mütterlichen Händen
der allerschaffenden Natur
nach seiner Sonne sich zu wenden
der Stern den wir bewohnen fuhr
da schifften, unsrer kleinen Sphäre
den schönsten Reiz noch zu verleihn
auf ihr sich holder Wesen Chöre
am Quell des Lichts geboren, ein

Da sank die schön belockte Freude
die Hoffnung mit dem Zauberstab
die Unschuld in dem weißen Kleide
zur kaum gebornen Welt herab
Der Scherz in vollem Schmuck der Jugend
kam mit dem Glücke Hand in Hand
und um sie alle schlang die Tugend
gefällig holder Eintracht Band

Zwo Schwestern, Feuer in den Blicken
ein süßen Lächeln um den Mund
geführt von Sehnsucht und Entzücken
beschworen da den schönsten Bund
den Bund, auf irdischen Gefilden
zu töten Sorge, Gram und Schmerz
zu Engeln und schon hier zu bilden
und zu beseligen das Herz

Sie sanken zu der Welt hernieder
da blühten schöner Hain und Flur
der junge Mensch sang Jubellieder
und dankte freudig der Natur
es floß ein neues, beßres Leben
mit ihren Trieben in sein Blut
und sich zum Himmel zu erheben
empfing er Kraft, empfand er Mut

In süßen, wonnevollen Stunden
auf ihrem weichen Schoß gepflegt
lacht er mit frohem Sinn der Wunden
die ihm der Kummer neidisch schlägt
Er fühlt nun tief in seiner Seele
daß auf der Welt, für ihn geschmückt
kein Reiz mehr seinem Leben fehle
wenn Lieb und Freundschaft es beglückt

Text: Friedrich Andreas Gallisch (1784)

Schon bemerkenswert, wie hier die Schöpfung zum Thema gemacht wird, aber Gott mit keiner Silbe erwähnt wird. Statt dessen sind es mütterliche Hände .  „Gallisch, geboren 1754 in Leipzig ( an Goethes Geburtstag), starb ebenda 1783 als junger Professor der Arzneiwissenschaft“. Das Gedicht „steht zuerst (?) in den Gedichten von Gallisch “ (Leipzig , 1784) Stichwort: Atheismus ?
in Als der Großvater die Großmutter nahm (1885)

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