Liederlexikon: Paul Gerhardt

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Paul Gerhard
Paul Gerhard

Paul Gerhardt geb. 12.3.1607 Gräfenheinichen (bei Wittenberg) gest. 27.5.1676 Lübben (Spreewald)  Am 12.3.1607 wurde Paul Gerhardt als Sohn eines Gastwirts und einer Pfarrerstochter im kursächsischen Gräfenhainichen in der Nähe von Wittenberg geboren. Aus der Ehe seiner Eltern sind noch ein älterer Bruder und zwei jüngere Schwestern hervorgegangen. Paul Gerhardt besuchte vermutlich zunächst die Stadtschule von Gräfenhainichen. Nach dem Tode seiner Eltern trat er am 4.4.1622 in die Fürstenschule zu Grimme ein, in der neben zwei ähnlichen Einrichtungen in Schulpforta und Meißen die sächsische Bildungselite herangezogen werden sollte.

Neben der Religion wurde hier v.a. die lateinische Sprache als Ausdrucksform der Gebildeten gelehrt. Darüber hinaus spielte die musikalische Ausbildung in sächsischen Fürstenschulen eine überragende Rolle. Nach bestandener Abschlussprüfung studierte Gerhardt von 1628 an Theologie im streng lutherischen Wittenberg. Anschließend schlug er sich als Hauslehrer durch, zunächst in Wittenberg, dann von etwa 1643 an in Berlin. In Wittenberg lernte er neben seinen theologischen Lehrern auch Augustus Buchner kennen, der hier von 1616 bis 1661 als Professor für Rhetorik und Poesie lehrte, die man in jener Zeit als handwerkliche Kunst verstand. Buchner vermittelte vor allem die metrischen Regeln des Martin Opitz, die dieser 1624 in seinem Buch von der Deutschen Poeterey niedergelegt hatte. Welcher Beschäftigung Gerhardt in Berlin nachging, ist nicht genau bekannt. Er lebte, vielleicht als Hauslehrer, im Hause des Kammergerichtsadvokaten Andreas Berthold. Berlin entwickelte sich am Ende des Dreißigjährigen Krieges unter dem Großen Kurfürsten zu einer expandierenden Stadt. Hier lebte Paul Gerhardt in der bürgerlichen Oberschicht, wo das Dichten den Gepflogenheiten der Zeit gemäß zur Geselligkeit gehörte.

Es gab kaum einen gesellschaftlichen Anlass, bei dem nicht eine Sammlung von Gedichten überreicht wurde. So wurde gerade dieser Abschnitt seines Lebens zu den ertragreichsten seines Schaffens. In diesen Jahren entstanden einige seiner wichtigsten Lieder, z.B. Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld, Auf, auf mein Herz mit Freuden, Nun danket all‘ und bringet Ehr‘ und Nun ruhen alle Wälder. 1651 wurde Gerhardt zum Propst in Mittenwalde in der Mark berufen, was es ihm ermöglichte, einen Hausstand zu gründen. Er heiratete Anna Maria Berthold, Tochter jenes Kammergerichtsadvokaten in Berlin, in dessen Hause er so lange gelebt hatte. Bereits am 5.3.1668 starb sie jedoch an der damals unheilbaren Lungentuberkulose. Von ihren fünf Kindern überlebte nur eins. Nicht lange blieb Paul Gerhardt in Mittenwalde. Ihn und seine Frau zog es ins gesellige Berlin zurück. So griff er zu, als sich im Jahre 1657 die Gelegenheit bot und das dritte Diakonat an der St.-Nikolai-Kirche frei wurde. Hierbei wurde er aber bald in die Besonderheiten der brandenburgischen Kirchenpolitik verstrickt: Das Herrscherhaus war reformiert, das Territorium lutherisch. Wegen der unterschiedlichen Erwerbungen, die später den Grundstock des preußischen Staates darstellen sollten, lebten neben der Mehrheit der Lutheraner auch Calvinisten und Katholiken im Kurfürstentum.

Aus diesem Grunde war der Kurfürst aus machtpolitischen Erwägungen an religiöser Toleranz interessiert und verbot die damals übliche theologische Polemik. Ausgerechnet Gerhardt, der sich in dieser Hinsicht nie besonders hervorgetan hatte, Iehnte es ab, eine Verpflichtung zu unterschreiben und darin die kurfürstlichen Edikte anzuerkennen, die u.a. einen Verzicht auf theologische Auseinandersetzungen forderten. So wurde er am 6.2.1666 von seinem Amt suspendiert. Auch als der Kurfürst ihm nach Unruhen in der Berliner Bevölkerung im Jahr darauf einen Kompromiss anbot, in dem er auf Gerhardts Unterschrift unter das Toleranzedikt verzichtete und ihm anbot, sein altes Amt wieder anzutreten, blieb dieser hart. Die letzten Jahre seines Lebens hat Paul Gerhardt als Archidiakonus in Lübben im Spreewald verbracht, das zu Sachsen-Merseburg gehörte und wo das reine Luthertum unangefochten gelehrt werden durfte. Seine dichterische Kraft scheint aber nach der Berliner Krise erlahmt zu sein. Am 27.5.1676 ist er, fast 70jährig, gestorben. Die geistigen Wurzeln für die Dichtung Paul Gerhardts finden sich vorrangig in den zentralen Inhalten der Theologie Luthers. Die Rechtfertigung des Menschen allein durch Gottes Gnade, das Hauptthema in der Abgrenzung zu den anderen Konfessionen, zog er niemals in Zweifel.

Andere Impulse entstammen aber vor-reformatorischen Erbauungstexten, die bereits im Mittelalter verfasst worden waren. Gerhardt kam hiermit einem Bedürfnis vieler Lutheraner entgegen, die nicht nur etwas von einem gnädigen Gott wissen, sondern auch zu einem frommen Leben angeleitet werden wollten. Durch den Einbezug mystischer Symbole in Gerhardts Dichtung entstand eine Sprache, die sich für das Kirchenlied als ungemein fruchtbar erwies. Auf diese Weise gelang es nämlich, eine Bildersprache zu finden, in der theologische Sachverhalte im Gottesdienst und in der Hausandacht vermittelt werden konnten. Die Verschmelzung von mystischer Tradition und Sprache mit der lutherischen Theologie kann als eine der Sternstunden des evangelischen Kirchenliedes bezeichnet werden, in der die handwerkliche Nüchternheit der Verse Gerhardts (ganz im Sinne der Poetik Opitz’) die Versuchung zur mystischen Ekstase abmildert.

Für die große Verbreitung und Beliebtheit von Paul Gerhardts Liedern sorgte schließlich der Kantor der Berliner St.-Nikolai-Kirche, Johann Crüger. Dieser überaus schöpferische Komponist erfand zu vielen Liedern Melodien, die das Volk annahm und sang. Die letzte von ihm redigierte Auflage von 1661 enthielt bereits 95 Lieder von Paul Gerhardt. Im Jahre 1667 hat dann ein weiterer Berliner Kantor, Johann Georg Ebeling, 119 Lieder von Paul Gerhardt herausgegeben und mit neuen Melodien versehen. So erklärt es sich, dass seine Lieder in evangelischen Gesangbüchern bis auf den heutigen Tag einen hohen Rang einnehmen.

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