Über die verheerten Matten

Abendphantasien eines Hessen in Amerika

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Über die verheerten Matten

Über die verheerten Matten
Dehnet unsrer Zelte Schatten
Schon in längre Reihen sich
Sterne blinken schon im Osten
zum gefahrenvollen Posten
Rufet schon die Trommel mich

Grauenvolle Stille wallet
über’s Lager lauter hallet
In der Ferne das Geschütz
Lauter wird der Rosse Stampfen
Halbverbrannte Städte dampfen
Sichtlicher zum Sternensitz

Wie der Mond so blutig flimmert
Mancher schläft jetzt unbekümmert
Der am Morgen nicht erwacht
Blutbegier’ge Wilde schleichen
Gleich den Wölfen zwischen Leichen
Unter schwarzen Schild der Nacht

Von dem Morden wilder Heere
Hast du nun zur andern Sphäre
Sonne dein Gesicht gewandt
Wandelst über Lustgefilde
Blickest friedlich und voll Milde
Auf mein Deutsches Vaterland

Siehst wie Deutschlands Biederfürsten
Statt nach Bürgerblut zu dürsten
Joseph sich und Friedrich küsst
Schleichst in meiner Lyda Kammer
Wo ihr liebe Furcht und Jammer
Am getreuen Herzen frisst

Send ihr mit der Morgenröte
Vor dem frommen Frühgebete
Ein erquickend Traumgesicht
Dass die Holde sanft umschwebet
Zärtlich raunt: Dein Heinrich lebet
Und vergisst sein Mädchen nicht

Und mit heiterm Frühlingsblicke
Leite du uns dann zurücke
Wenn der Feind am Boden liegt
Lächle friedlich uns’rem Heere
Wann es durch erkämpfte Meere
Hin nadı Englands Küsten fliegt

Dann eil ich zu euch ihr Brüder
küss euch, traute Eltern, wieder
Und, o meine Lyda, dich
Schmücke dich mit Lotuskränzen
Drück in frohen Siegestänzen
Liebstes Mädchen dich an mich

Text und Musik: Verfasser unbekannt (1780)

Aus dem Musenalmanach Göttingen 1780. Verfasser nicht genannt, aus Furcht vor der Zensur, weil es ein Strafgedicht gegen den Hessischen Kurfürsten ist, der 1776 Soldaten nach Amerika an die Engländer verkaufte. (s. Liederhort II Nr 333) Text und Melodie sind natürlich in Deutschland gemacht.
Volkstümliche Lieder der Deutschen (1895)