Der Herr der schickt den Jockel aus

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Der Herr, der schickt den Jockel aus
Er soll den Haber schneiden
Der Jockel schneid’t den Haber nicht
Und kommt auch nicht nach Haus

Da schickt der Herr den Pudel aus
Er soll den Jockel beißen
Der Pudel beißt den Jockel nicht
Der Jockel schneid’t den Hafer nicht
Und kommt auch nicht nach Haus

Da schickt der Herr den Prügel aus
Er soll den Pudel prügeln
Der Prügel prügelt den Pudel nicht….

Da schickt der Herr das Feuer aus
Es soll den Prügel brennen
Das Feuer brennt den Prügel nicht…

Da schickt der Herr das Wasser aus
Es soll das Feuer löschen
Das Wasser löscht das Feuer nicht….

Da schickt der Herr den Ochsen aus
Er soll das Wasser saufen
Der Ochse säuft das Wasser nicht….

Da schickt der Herr den Metzger aus,
Er soll den Ochsen schlachten
Der Metzger schlacht’t den Ochsen
Der Ochse säuft das Wasser
Das Wasser löscht das Feuer
Das Feuer brennt den Prügel
Der Prügel prügelt den Pudel
Der Pudel beißt den Jockel
Der Jockel schneid’t den Haber
Und kommt dann auch nach Haus

in: Der Kinder Lustfeld (1827, „Der Herr der will das Birnli schüttle“) —  Kasseler Kinderliedchen (1891, Nr. 192) — Macht auf das Tor (1905)

Dies Märchen vom ungetreuen Gesinde, in Deutschland, Frankreich, England und Ungarn bekannt, ist einem gemeinsamen jüdischen Osterliede nachgebildet, das schon 1609 zu Venedig gedruckt worden ist, in Hebräisch und Chaldäisch vorliegt und übersetzt so lautet: Ein Böckchen, ein Böckchen, das kaufte der Vater für zwei Silberstücke. Ein Böckchen. Da kam die Katz und fraß das Böckchen, das gekauft der Vater für zwei Silberstücke. Weiterhin kommen Hund, Stock, Feuer, Wasser, Stier, Schlächter und dann: der Todesengel und schlachtete den
Schlächter, zuletzt der Heilige, der gesegnet sei! und erschlug den Todesengel, der geschlachtet den Schlächter u. s. w.

Das Lied stellt die Schicksale des jüdischen Volkes im Gleichniß dar: der Vater ist, nach Leberecht’s Ausführungen vom Jahre 1731, Gott; das Böckchen das jüdische Volk; die zwei Silberstücke Moses und Aaron; Hund, Feuer, Wasser, Stier, Schlächter, Todesengel die Bedrücker des Judenvolkes von den Assyrern an bis zu den Türken, deren Macht d. i. den Todesengel, der Heilige, Gott selbst, dereinst vernichten wird. (Gustav Eskuche in Kasseler Kinderliedchen, 1891, Nr. 192)

Liederthema:
Liederzeit: vor 1827 : Zeitraum:
Geschichte dieses Liedes:

Zur Geschichte dieses Liedes:

Parodien, Versionen und Variationen:

Die Geschichte vom Herrn bzw. Meister, der den Jockel ausschickt, geht vermutlich zurück auf das etwa 2500 Jahre alte aramäische Lied „Chad Gadjâ„, das traditionellerweise zu Beginn des Pessach-Festes gesungen wird. Es gehört zu den Zählliedern, bei denen in jeder folgende Strophe das Vorhergesagte rückwärts wiederholt und am Schlusse das Ganze in umgekehrter Folge aufgezählt wird. Diese Zähllieder dienten auch zum Zeitvertreib und zur Gedächtnisübung. Das älteste ist das von den zwölf heiligen Zahlen.

Der deutsche Liederhort (1894) führt unter den Nummern 1743 – 1745 einige Variationen dazu an: da schickt der Herr den Jäger“, der Bauer den Jäckele und der Meischter den Jockele.

Man bediente sich der Zähllieder auch in den Rockenstuben, beim Flachsflechten und Spinnen, „um den Wetteifer anzuregen: in soviel Zeit, als zum Vortrage einer Reimzeile erforderlich ist, einen Faden abzuspinnen und diese nach jenen zu zählen. Geschickte Spinner bringen es dahin, die längste Strophe abzusingen und abzuspinnen, ehe eine andere mit Einem Faden und Einer Reimzeile oder mit einer kurzen Strophe fertig geworden“. (Meinert, Kuhländische Volkslieder S. 442)