Wenn das Schifferklavier an Bord ertönt

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Immer wieder treibt es uns vom Strande
und die Weite zieht uns mächtig an
Kaum sind wir einen Tag am Lande
lockt der freie Ozean
Wir sind nichts als ew’ge Vagabunden
wo wir bleiben, wird das Herz uns schwer
doch dann kommen heimlich jene trüben Stunden
wo man wieder gern zu Hause wär

Wenn das Schifferklavier an Bord ertönt
dann werden die Matrosen still
weil sich jeder nach seiner Heimat sehnt
die er endlich wiedersehen will
Und sein kleines Mädel das wünscht er sich her
das daheim so heiß ihn geküsst
und dann blickt er hinaus aufs weite Meer
wo fern von ihm in die Heimat ist

Wo wir kommen sind wir gern gesehen
weil wir stets zu Lande lustig sind
Wenn wir nach ein paar Tagen weiter gehen
weint daheim manch schönes Kind
Niemals kommen wir an Land zum Schlafen
aber einmal sind wir alt und müd
Und dann steh’n wir träumend irgendwo am Hafen
und wir summen leise unser Lied

Wenn das Schifferklavier an Bord ertönt
dann werden die Matrosen still …

Text und Musik: Just Scheu
u. a. in Liederbuch für Front und Heimat (1943)
Copyright 1941 (!) Harth-Verlag (Erich Pastänier), Leipzig-Großdeuben
vergleiche die Liedpostkarte mit etwas anderem Text und der Angabe, dass das Lied von Robert Wanner stammt!

Bereits in Berlin, Oktober 1936, Gesang: Die drei Rulands mit Orchesterbegleitung / Orchester Jo Alex
Wenn das Schifferklavier an Bord ertönt Tempo 499 / 1024

Liederthema:
Liederzeit: vor 1936 : Zeitraum:
Geschichte dieses Liedes:

Zur Geschichte dieses Liedes:

Parodien, Versionen und Variationen:

Es gibt keine Aufzeichnung von „Wir lagen vor Madagaskar“ vor 1933, es steht in keinem der in Frage kommenden Liederbücher. Daher ist zu vermuten, dass das Lied erst zur Zeit des Nationalsozialismus entstand. Es nimmt zwar Bezug auf Ereignisse von 1905, dies jedoch höchstwahrscheinlich ausgelöst durch ein Buch, das 1936 erscheint, diese Ereignisse zum Thema hat und ein Riesenerfolg wird:  „Tsushima“ von Frank Thiess.

Der Roman schildert Ereignisse während des Russisch-Japanischen Krieges (1904/1905), als das “Zweite russische Pazifikgeschwader“ unter Admiral Roschestwenski wegen dringender Reparaturen vor der Nord-West-Küste von Madagaskar ankern musste. Viele russische Soldaten starben in dem tropischen Klima an Typhus, woran  ein Denkmal in Hell Ville auf  Nosy Be (Insel vor Madagaskar) erinnert.

Madagaskar und Rio

Unweit von Hannover entstand um 1932 ein Lied, in dem lauthals ebenfalls von Madagaskar gesungen wurde:

Und sehen wir uns in Madagaskar / Und treffen wir uns in Rio / Und trennen wir uns in Alaska / Ja, dann heißt es: das nächste Mal, wo? / In der Kneipe am Moor

Eventuell wurde „und hatten die Pest an Bord“ ursprünglich auf die Melodie von der „Kneipe am Moor“ gesungen? Die fünfte Strophe hat jedenfalls deutliche Anklänge an das Moorlied:

Kameraden, wann sehn wir uns wieder / Kameraden, wann kehren wir zurück / Und setzen zum Trunke uns nieder / Und genießen das ferne Glück …

Das Meer ruft

Ein weiterer Auslöser für das Lied dürfte das 1932 entstandene Lied von der „Pest an Bord“ gewesen sein. In dem Film „Das Meer ruft“ singt Ernst Busch in beeindruckender Weise zum Akkordeon „Als wir von Carravals kamen / da hatten wir die Pest an Bord“ und alle Matrosen stimmen ein in den Refrain „Ahoi! Kameraden Ahoi!“. Das gleiche Thema, aber so erschütternd düster!  Premiere hatte der Film im Februar 1933, da war Hitler bereits Reichskanzler und mancher der Schauspieler war auf der Flucht, eingesperrt oder tot.

In den finsteren Jahren nach 1933 wurde das Madagaskarlied sogar zu einem Lied des Widerstands, die „Pest an Bord“, das waren Hitler und seine Mörder,  besonders Jugendliche nahmen das Lied und dichteten es um, wie die Version der Kölner Edelweißpiraten zeigt: „Wir bleiben guten Mutes!“ Und im Konzentrationslager sangen niederländische Häftlinge „Wir lassen den Mut nicht sinken!“

Musik von Robert WannerMitte der 1930 Jahre erschien „Madagaskar“ auf Liedpostkarten, als Komponist steht dort Robert Wanner. Der Refrain mit dem  „Schifferklavier an Bord“ war noch nicht Teil des Liedes. Es gab noch keine Aufnahme,  die beide Lieder zu einem vermischte, vielmehr stand auf den Schellack-Platten „unter Verwendung einer Melodie von Just Scheu“, was sich womöglich auf den Teil mit „Ahoi Kameraden“ bezog. Es ist aber gut möglich, dass Tanzorchester beide Lieder schon als Potpourri kombinierten.

Ernst Klusen schreibt Just Scheu jedenfalls für das Jahr 1934 die Urheberschaft zu für Text und Musik von „Wir lagen vor Madagaskar“.  Und er erwähnt (für das Jahr 1981), dass das Lied bisher auf 365 Schallplatten erschien.

Im Oktober 1936 veröffentlichten „Die Rulands“ dann als Tango auf Schellack den Titel „Wenn das Schifferklavier an Bord erklingt“, Komponist „Just Scheu“. Vier Jahre später kam der NS-Propagandafilm „Wunschkonzert“ in die Kinos, darin sangen die Mannschaft eines U-Boots zum Akkordeon „dann sind die Matrosen so still“. Die Pest an Bord passte nicht gut zur Propaganda!

1941 erschienen erstmals beide Lieder gemeinsam auf einer Platte, als A- und B-Seite und 1943 erneut: auf dem „Imperial“-Label als A-Seite „Wenn das Schifferklavier….“ und als B-Seite „Wir lagen vor Madagaskar“, mit leicht anderem Text als heute, wieder „unter Verwendung einer Melodie von Just Scheu“. Die Interpreten waren der „Matrosenchor der Marine kommandierten Kompanie Berlin“ unter Leitung von Stabsoberfeldwebel Carl-Josef Trümper.

Nach 1945 wurde der Harth Musik Verlag, der seit 1941 die Rechte an „Wenn das Schifferklavier….“ besaß,  in Berlin von Carl Clauss und Erich Pastänier eingetragen und ab 1960 als VEB (Volkseigener Betrieb) weiter geführt. Zum Repertoire gehörten Tanz- und Unterhaltungsmusik, Blasmusik und Schlagertexthefte.

1957  veröffentlichten Fred Ritter und Die „Blauen Jungs“ auf Heliodor in Mono „Wir Lagen Vor Madagaskar“. 1962 kamen auf Polydor – als Single (Nr. 24 533 A) von „Die Blauen Jungs“ und dem „Orchester Werner Scharfenberger“ beide Lieder heraus, „Wenn das Schifferklavier an Bord ertönt“ als A-Seite und „Wir lagen vor Madagaskar“ als B-Seite.