Schreiben aus Amerika (Etwas für Auswanderungslustige)

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Amerika, das Feenland
Soll laut mein Kiel besingen.
Drum bitt ich um geneigtes Ohr
Es kommen seltne Dinge vor
Die gar zu lieblich klingen.-

Bei einem Wirt in Asla
War ich erst Kerbholzschneider;
Dann stieg ich immer höher auf,
Und in des zweiten Jahreslauf
War ich schon Doppelkreider.

Von da an ging’s fort mit Extrapost,
So heißt das Barfußlaufen
Durch Belgien und Polenland
Und kam an jenen Wunderstrand,
Wo’s Glück liegt auf ein’m Haufen.

Dies war in Nordamerika,
Da ist Euch was zu machen!
Potz Tausend, welche Herrlichkeit
Ziert diese Gegend weit und breit!
Das Herz im Leib muß lachen.-

In Baltimore steigt man ab,
Die Stadt will beschreiben.
Sie liegt in einem Rosenthal;
Die Häuser sind vom purem Stahl,
Kristall die Fensterscheiben.

Die Schornstein sind von Jungfernwachs,
Von Marzipan die Türen.
Die Lüftchen wehen mild und süß;
Die Straßen sind mit Pfeffernüß
Gepflastert zum Spazieren.

Die Brunnen sind von Zuckerteig
Symetrisch aufgeführet.
Da fließt aus einer Quell hinein
Champagner und Burgunder Wein
Mit Malagga melliret.

0 Kaffee, göttliches Getränke!
Er bildet große Weiher.
Auch Chokolad und Malvasier
Drückt man aus Quetschenkernen hier –
Und gibt kein Kreuzer Steuer. –

Wer fahren will, der kann sich auch
Nach Herzenslust ergötzen
Fiaker halten stets vollauf,
Die zahlen Geld noch in den Kauf,
Will man sich nur aufsetzen. –

Das Gold und Silber hängt sich Nachts,
Wie Reif, an Schwarzdornhecken;
Und jeden Morgen prügelt man,
So viel ein Esel tragen kann,
Herab mit einem Stecken. –

Gebratne Ochsen weidet man
Auf bunt geblümten Wiesen,
Mit Messer, Gabel auf dem Rück
Damit man auch sogleich ein Stück
Von ihnen kann genießen. –

Mit Kegelspiel erheitern sie
Die rauschverschlaf’nen Köpfe.
Zur Kugel dient ein Kirschenkern;
Die wachsen in der Gegend gern
So dick, wie Kirchthurmknöpfe. –

Die Gegend überhaupt ist gut,
Dies dürft ihr wahrlich glauben;
Bedenket nur, daß dieses Land
Zuvor im Paradiese stand
Und hierher kam auf Schrauben.

Das Feld bedarf der Arbeit nicht,
Nicht Pflügen, Eggen, Säen.
Man wünscht nur in die Erd hinein,
Und wünscht, bald möcht es zeitig sein;
In acht Tag kann man’s mähen.

Drum hat es in Amerika
Der Bauer auch am besten.
Er discutiret Tag und Nacht;
Da sind Maschinen angebracht,
Die Ochs und Scheine mästen. –

Viel Bäume einer seltnen Art
In diesem Land gerathen,
Von denen immer Jedermann
Geback’ne Tauben schütteln kann
Und kalten Schweinebraten. –

Auch kommt man in Amerika
An sehr viel Zuckergruben.
Man bricht ihn nämlich so allhier,
Wie Mauerstein in Deutschland ihr;
Fein, streut man ihn in Stuben.

Die größten Klumpen bleiben hier;
Nach Deutschland kommt’s Gekrümmel,
Kurz um, man lebt an diesem Ort,
Glaubt’s Brüder auf mein Ehrenwort
Wie in Jupiters Himmel. –

Von Königen weiß man hier nichts,
Und Alles darf befehlen.
Gemeinderath ist jedermann,
Und wer nur das Blaudunsten kann,
Darf sich Diplome wählen. –

Für Damen ist das Klima gut,
Indem sie nie veraltern.
Von Weibern, oft von hundert Jahr
Sieht man kein einzig graues Haar;
Nie Runzeln oder Falten. –

Die Wissenschaften pflanzt man sich
Zum Zeitvertreib im Garten.
Da strotzt auf Sand die Poesie,
In Leimenerd Astronomie
Und gleich dabei Sternwarten.

Nur die Geschichte will allhier
Nicht tiefe Wurzeln schlagen.
Dagegen kommt an jedem Ort
Sehr gut das Ammenmährchen fort
Und Alteweibersagen. —

Und wer nicht recht bei Sinnen ist,
Kann zu Verstand hier kommen.
Wem’s nun vielleicht daran gebricht,
Der scheue diese Reise nicht –
Hier wird der Wahn genommen.
sapienti sät!

Verfasser Lehr (Schullehrer in Pfaffen – Beerfurth).
Quelle: „Wochenblatt für den Kreis Großgerau“, Nr. 41
vom 13. Oktober 1834), S. 3f.;
abgedruckt in: Peter Assion, Von Hessen in die Neue Welt. Eine Sozial- und Kulturgeschichte der hessischen Amerikaauswanderungmit Text- und Bilddokumenten, Frankfurt am Main 1987, S. 61f.Überschrift: Schreiben aus Amerika. Etwas für Auswanderungslustige und Hypochonder.

 

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Liederzeit: vor 1834 : Zeitraum:
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