Augsburg ist ein kaiserlich Stadt

Der Rat der Nachtigall

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Augsburg ist ein kaiserlich Stadt
Darin da leit mein Lieb gefangen
In einem Turm, den ich wohl weiß,
Darnach steht mein Verlangen

Ich lehnt mein Leiterlein an die Maur
Und hört mein Lieb darinnen.
Da erfreut sich alles des darinnen was
Ich hört ein Vöglein singen

So sing, so sing, Frau Nachtigall
Die andern Waldvöglein schweigen
So will ich dir dein Gefiedere
Mit rotem Gold beschneiden

Mein Gfieder beschneidst mir freilich nit
Ich will dir nimme singen
Ich bin ein kleins Waldvögelein
Ich trau dir wol z’entrinnen

Bist du ein kleins Waldvögelein
So schwing dich von der Erden!
Dass dich der kühle Maientau nit netz
Der kalte Reif dich nit erfröre/

Und netzt mich der kühle Maientau
So trocknet mich Frau Sunne
Und wo zwei Herzlieb beisammen sein
Die zwei sollen sich baß besinnen

Zwischen Berg und tiefem Tal
Da leit ein freie Straße
Wer seinen Buhlen nit haben will
Der mag ihn fahren lassen

Text und Musik: Verfasser unbekannt
in Deutscher Liederhort II (1893, Nr. 410 „Der Rat der Nachtigall“)

Liederthema: ,
Liederzeit: vor 1516 : Zeitraum:
Orte:

Anmerkungen zu "Augsburg ist ein kaiserlich Stadt"

Heidelberger Handschrift 109, Bl. 135 (um 1516 zu Augsburg geschrieben). Daher bei Uhland Nr. 16. Zwei Zusatzstrophen nach Nr, 6, die ganz andern Versbau und störenden Inhalt haben, habe ich fortgelassen. Die Handschrift hat nach bayerischen Dialekt stets ai für ei, z. B. ainen. — Strophe 7 ist Lieblingsstrophe vieler Volkslieder. Sie meldet uns hier den Ton, nach welchem das ganze Lied gesungen wurde und der in nächster Nummer folgt. Strophe 3 — 6 kommen auch in dem Liede „Wohl hinter meines Vaters Hof“ — vor.

Zum Inhalt vergl. Uhland III, 91 und dessen Abhandlung in Germania VII, 2. Heft. Ein gefangener Kriegsmann zu Augsburg fordert die Nachtigall zu singen auf; seine Liebste lehnt eine Leiter an den Turm und hört einen Wechselgesang, dessen alles was drin ist, sie erfreut. Der Rat des Vogels ist ein besonnener, eine Tröstung und Ermutigung selbst für den Gefangenen. (Böhme)