Ach Schwester (Die klagende Nachtigall)

Trauerlied einer Grasmücke

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Ach Schwester (Die klagende Nachtigall)

Ach Schwester, die du sicher dich
auf den Ästen wiegst
und buhlend mit dem Gatten
auf alle Bäumchen fliegst
hör meine Leidgeschichte
und fliehe weit von hier
nimm deinen Mann und Kinder
und was du liebst mit dir

Der schönste Abend lachte
Herab auf die Natur
Nur Zephir der noch wachte
Umsäuselte die Flur
ich saß im Nest und deckte
In unschuldsvoller Ruh
Mit mütterlichem Flügel
Die nackten Jungen zu

Mein Männchen saß daneben
Auf einem Zweig und sang
Sein Abendlied, das wirbelnd
durch alle Gipfel drang
Als plötzlich untern Bäumen
Ein Flintenschuß geschah
Und ich mein liebes Männchen
vom Blei getroffen sah

Es fiel und sah noch zärtlich
Im Fall auf mich zurück Fiel dann von Zweig auf Zweige
Hinab; sein starrer Blick
Blieb fest auf mich geheftet
Bis mit langsamem Schmerz
Zum letztenmal ihm klopfte
Sein liebes kleines Herz

Wie schlug es nicht die Erde
Mit seinen Flügelein
Die zitterten, es konnte
Nicht länger bei mir sein
Es sang froh zufrieden
Sein Liedchen; ich lieb dich
Und hielt mit allen Vögeln
Sich gut und nachbarlich

Ihr Menschen ihr Barbaren
Und Mörder das seid ihr
Was tat euch denn zu Leide
Das liebe kleine Tier
Mit ihm starb meine Freude
ich Arme will betrübt
in Wüsteneien fliehen
Wo’s keine Menschen gibt

Text: Johann Paul Sattler (vor 1770, „Trauerlied einer Grasmücke“)
Musik: auf die Melodie „Als ich auf meiner Bleiche“
Die Melodie  in Handschriftl Liederb eines Pfarrers aus der Priegniß 1810
in Volkstümliche Lieder der Deutschen, 1895