Liederlexikon: Rote Schmiede

| 1929

Ende 1927 erlebte Halle ein Gastspiel der sowjetischen Spieltruppe „Blaue Blusen“, das von unseren Werktätigen begeistert aufgenommen wurde und uns bewies, wie mit wenigen Menschen, geringem Aufwand und wenig Ausstattung beispiellose Erfolge zu erreichen sind. Allerdings mußten diese wenigen Menschen hohes politisches Bewußtsein besitzen, mußten diszipliniert und vielseitig begabt sein. Von dem Eindruck dieses Gastspiels angeregt, wurde im November 1928 durch die Initiative einzelner Genossen des KJVD und junger Mitglieder der KPD aus einer bereits bestehenden, aber wenig beweglichen Agitprop-Truppe des KJVD Halle die erste schlagkräftige Truppe im Bezirk Halle-Merseburg, „Rote Schmiede“, geschaffen.

Wir waren 9 Arbeiterjungen und 3 Arbeitermädel, von Beruf Tischler, Schlosser, Dreher, Maler u. a., und setzten uns das Ziel, die breiten Massen für den Kampf gegen Faschismus und Reaktion zu mobilisieren und zur Schaffung der Einheit der Arbeiterklasse beizutragen. Wir wollten eine der besten Agitprop-Truppen Deutschlands werden. Das war jedoch nur möglich bei einem klaren politischen Bewußtsein unserer Truppenmitglieder und einer eisernen Disziplin. Es kam nicht in erster Linie auf das „Können“, vielmehr auf das „Wollen“ an — und wir jungen Kommunisten wollten, Und dieses Wollen befähigte uns zu immer neuen und größeren Leistungen und half uns, alle Schwierigkeiten zu überwinden.

Mit gleichem Elan gingen wir montags zur Musikprobe, dienstags zur Sprechprobe, mittwochs zur politischen Schulung, donnerstags zur Bühnen- und Sprechprobe und fuhren freitags, sonnabends und sonntags in die Städte und Dörfer des Bezirks. Unser Repertoire war sehr vielseitig; wir konnten mit etwa 50 Szenen, Liedern, Songs und Rezitationen, die ständig aktualisiert wurden, in den verschiedensten Veranstaltungen der Partei-, Jugend- und Massenorganisationen auftreten.

Bereits nach wenigen Monaten, auf dem Reichsjugendtag des KJVD, Ostern 1929 in Düsseldorf, wurde die „Rote Schmiede“, gemeinsam mit dem Berliner „Roten Sprachrohr“, anläßlich des Wettbewerbs der Agitprop-Truppen ganz Deutschlands zu den besten Spieltruppen erklärt. Beide Truppen hatten sich damit eine Tournee durch die Sowjetunion erkämpft. Die Tournee der „Roten Schmiede“ fiel in die Zeit der Oktoberfeierlichkeiten und der Feiern „Zehn Jahre KJI“ (Kommunistische Jugend-Internationale).

Diese Gastspielreise bildete den Höhepunkt im Leben der „Roten Schmiede“. Zu jeder genannten Feier wurde ein abendfüllendes Programm dargeboten. In Moskau traten wir zweimal im „Großen Theater“ auf, außerdem in Städten und Betrieben des Patenbezirks Dnjepropetrowsk; uns wurde viel Liebe und Begeisterung entgegengebracht.

Kurz nach der Rückkehr aus der Sowjetunion erkannten wir die Notwendigkeit, einen engeren Kontakt mit den Betriebsarbeitern der Leuna-Werke aufzunehmen und diese mit unserem Spiel in all ihren Maßnahmen im Kampf gegen den Imperialismus — so bei der Vorbereitung von Betriebsratswahlen, bei der Agitation unter den Leuna-Kumpeln u. a. — zu unterstützen.

Bald jedoch erkannte die reaktionäre Politische Polizei der Weimarer Republik die „Staatsgefährlichkeit“ der Agitprop-Truppen. Allen Mitgliedern drohten wegen ihrer Tätigkeit täglich Polizeischikane, Entlassungen und Arbeitslosigkeit. Ein ausgeklügelter Terrorfeldzug begann gegen die Truppen. Aber erst 1933 gelang es der blutigen faschistischen Diktatur, die Spieltruppen der Arbeiterklasse zu zerschlagen.

„Wir kommen wieder!“ schrieben Mitglieder der „Roten Schmiede“ mit großen Buchstaben an einige Requisiten, bevor diese im März 1933 von der Gestapo beschlagnahmt wurden. Nun — wir sind da — und wir bleiben da — und der Sieg wird unser sein.

Erich Geiling, in: Lieder der Agitprop-Truppen vor 1945 (1956)

 

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