Ein Feiertag ein Fest in Not

Prolog zum 33. Stiftungsfest

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Ein Feiertag, ein Fest in Not!
Darf man feiern? Karg ist’s Brot!
Darf man jubeln – rings der Feind?
Darf man hoffen, wenn man weint?
Vieles ging verloren Euch!
Habt Ihr Mut noch, seid Ihr reich.
Nur, wer auch den Mut verloren,
wäre besser nie geboren.

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Aus der lärmenden Fabrik
stiegt Ihr heut ins Licht zurück
und doch führ ich Euren Sinn
einmal noch zum Webstuhl hin.
Nur im Geiste folget mir.
Seht die tausend Fäden hier.
Jeder einzelne – ein Hauch,
reißt wie Spinnenweb, weht wie Rauch,
in des Webstuhls Eisenrachen
streben sie mit Donnenkrachen
aneinander, ineinander,
eng verknüpft Freund und Bekannter,
klug geordnet nach Gesetzen
sie sich fügen, sie sich setzen
dieser hier, und jener dort,
jeder an bestimmten Ort,
ineinander fest verschlungen,
bis das ganze Stück gelungen,
bis das Tuch den Stuhl verläßt
unzerreißbar, eisenfest.
Und die feinen Fäden lachen.
Was wir doch für Sachen machen!
Vor Minuten schwach und windig,
jetzt verwandelt stark und mündig.
Vor Minuten noch wie Zunder,
jetzt vereinigt, machtvoll, munter.
Hand in Hand mit Brüdern, Schwestern
mögen sie uns Fäden lästern,
jetzt ins schönste Tuch gewebt
sind wir kraftvoll aufgelebt!
Brüder, die ihr spinnt und webt,
kraftvoll ihnen nachgestrebt!

Text: Von Lehrer Genosse Rudolf Liebig , Mittweida –
in: Der Textilarbeiter , Nummer 10, März 1927

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